Ölkrise dämpft Lust am Auto

Verkehr 1973:

In der Bundesrepublik Deutschland ist das Auto nach wie vor das meist benutzte Verkehrsmittel. 1973 werden rund 2 Mio. Kfz neu zugelassen. Der Bestand steigt bis zum Jahresende auf insgesamt 21,9 Mio. Stück. Damit entfällt in der Bundesrepublik bereits ein Auto auf drei Einwohner, ein im internationalen Vergleich sehr hoher Wert. Lediglich in den USA, Kanada und Neuseeland ist die Massenmotorisierung weiter fortgeschritten. In dem anderen deutschen Staat dagegen hat das Verkehrsmittel Auto eine vergleichsweise geringe Bedeutung: In der DDR sind 1,54 Mio. Autos zugelassen, das entspricht einem Kfz auf zehn Einwohner.

Im letzten Quartal 1973 ist in der Bundesrepublik wie in anderen Industriestaaten auch ein deutlicher Rückgang in der Zulassungsstatistik zu verzeichnen. Die Ölkrise dämpft die Kauflust der Kundschaft und sorgt in der Autoindustrie für Umsatzeinbußen von bis zu 20% (<!– –>19.11.<!– –>). Die hohen Preise für Benzin, die Sonntagsfahrverbote im November und das von der Bundesregierung in Bonn zur Energieeinsparung verhängte Tempolimit von 80 bzw. 100 km/h auf Landstraßen und Autobahnen veranlassen immer mehr Menschen, auf andere Verkehrsmittel umzusteigen. So wird von vielen das sparsamste und umweltfreundlichste Nahverkehrsmittel von vielen wiederentdeckt: Die deutsche Fahrradindustrie kann in den sechs Monaten nach Beginn der Ölkrise ihren Absatz um rund 25% steigern.

Vor allem in der Stadt ist der »Drahtesel« zusammen mit den öffentlichen Verkehrsmitteln eine Alternative zum Auto, das von seinen Benutzern nicht nur für lange Strecken benutzt wird. Dies zeigt deutlich eine im November 1973 veröffentlichte Untersuchung, die sich mit den Fahrzielen der bundesdeutschen Autofahrer beschäftigt. Danach dienen 29% der Gesamtfahrleistung eines Autos zum Einkaufen oder zu Besuchen, 18% dem Erreichen des Arbeitsplatzes und 17% dienstlichen oder geschäftlichen Fahrten. Der Anteil von längeren Fahrstrecken (Ausflüge oder Urlaubsreisen), die mit dem Auto bewältigt werden, bleibt dagegen mit 36% vergleichsweise gering.

Einbrüche verzeichnet 1973 der deutsche Flugverkehr. Während international das Luftverkehrsaufkommen steigt, sinkt in der Bundesrepublik die Zahl der Passagiere. Allein der Flughafen Hannover registriert mit 1 826 864 Fluggästen rund 22% weniger als 1972. Auf anderen deutschen Flughäfen ist der Rückgang zwar nicht so drastisch, aber doch deutlich spürbar. Der Grund für diese Entwicklung ist der im Mai begonnene Bummelstreik des Flugsicherungspersonals (<!– –>31.5.<!– –>). Der Schaden für die Fluggesellschaften ist enorm: Allein die Deutsche Lufthansa beziffert die während des sechsmonatigen Arbeitskampfes der Fluglotsen entstandenen Verluste auf rund 180 Mio. DM.

Die Eisenbahn kann ihre Stellung als bedeutendstes Fernverkehrsmittel behaupten. Die Deutsche Bundesbahn befördert 1973 im Monatsschnitt rund 90,61 Mio. Passagiere und erreicht damit knapp das Passagieraufkommen des Vorjahres. Unangefochten an der Spitze liegt die Bahn im Güterverkehr. Mit mehr als 371 Mio. t befördert sie deutlich mehr als noch im Vorjahr (353 Mio. t). Allerdings gewinnt der Güterfernverkehr mit Lkw weiter an Bedeutung. Auf der Straße werden bereits 217 Mio. t transportiert (1972: 193 Mio. t).

Eine strukturelle Veränderung macht sich in der Binnen- und Seeschifffahrt bemerkbar. Die Menge der beförderten Güter steigt, die Zahl der unter deutscher Flagge fahrenden Schiffe nimmt jedoch stark ab. Während die Bundesrepublik 1972 noch den achten Platz in der Welthandelsflotte belegt, fällt sie 1973 mit 8,51 Mio. Bruttoregistertonnen (BRT) auf den elften Rang zurück. Der Grund ist, dass immer mehr Reeder ihre Schiffe aus Steuer- und Lohngründen unter sog. Billigflaggen fahren und in Liberia oder Panama registrieren lassen.

Chroniknet