»Talfahrt« des Autos beginnt

Auto und Verkehr 1973:

Nach dem Aufwärtstrend in der bundesdeutschen Automobilbranche in der ersten Hälfte des Jahres 1973 zeichnet sich ab September eine Absatzkrise ab; die Inlandsnachfrage sinkt um 6%. Ausschlaggebend dafür sind Benzinpreiserhöhungen, höhere Versicherungsbeiträge sowie gestiegene Autopreise. Drastisch verschlechtert wird die Lage der Automobilindustrie mit dem Einsetzen der Ölkrise im Herbst des Jahres (<!– –>19.11.<!– –>). Der Inlandsabsatz sinkt im Vergleich zum Vorjahr um 24%, und zum ersten Mal ist auch der Export rückläufig: Im Ausland werden 16% weniger Automobile verkauft.

Zwangsläufig geraten auch die Zulieferbetriebe aus der Metall- und Kunststoffindustrie in eine ähnlich bedrohliche Situation. Kurzarbeit, Entlassungen sowie wachsende Autohalden bei Neuwagen sind die Kennzeichen der Krise in der Automobilindustrie, die eine Schlüsselstellung in der bundesdeutschen Wirtschaft einnimmt. Jeder siebte Erwerbstätige ist in der Branche beschäftigt bzw. von der Automobilindustrie abhängig. Chancen auf dem Markt haben nur noch Hersteller, die sich den veränderten Bedingungen schnell genug anpassen können und mit neuen Modellen auf die aktuellen Bedürfnisse der Verbraucher reagieren. Spar-Modelle liegen im Trend. So liefert das Volkswagenwerk in Wolfsburg im November des Jahres 29 100 Wagen aus, davon 16 000 »Käfer« – jeder als Wolfsburger Spar-Modell »VW 1200«, das Stück zu 5650 DM. Ein Verkaufsrenner ist auch der »VW-Passat«, für den 50 000 unerledigte Aufträge vorliegen.

Der Trend zum preisgünstigen Auto, dessen Motor mit Normalbenzin auskommt, hat den Automobilhersteller Opel veranlasst Spar-Versionen der Modelle »Ascona« und »Manta« mit 1,2-l-Motoren und den »Kadett« mit einem 1-l-Motor zu produzieren. Auch Ford will wirtschaftlichere Wagen ins Programm aufnehmen. Daimler-Benz verbucht steigende Verkaufszahlen bei den Vierzylindern und Dieselmodellen.

Den veränderten Trend können auch die auf dem bundesdeutschen Markt präsenten ausländischen Hersteller von Kleinwagen für sich nutzen. Bei Renault steigt der Anteil der Kleinwagen R 4, R 5 und R 6 auf 70% des Umsatzes. Bei Chrysler-Simca verbucht der schon zwölf Jahre alte »Simca 1000« wieder gute Verkaufsergebnisse. Fiat setzt auf seine Kleinwagen »126« und »127«, die rund 60% des Umsatzes einbringen. Bei vielen Verbrauchern in der Bundesrepublik wird durch die hohen Aufwendungen, die jetzt für ein Auto zu leisten sind, ein Umdenkungsprozess in Gang gesetzt. In vielen Familien büßt das Auto aus Kostengründen seinen Stellenwert als Statussymbol ein, Neuanschaffungen werden verschoben.

Mit ungewöhnlichen Werbekampagnen versuchen Händler und Hersteller, auch in der Krise noch Käufer zu finden und gezielt anzusprechen. Bei Audi z.B. »nutzt das spezielle Brennverfahren jeden Tropfen Benzin«, bei VW ist der »Spar-Käfer« der »Käfer der Stunde«. Viele Händler verkaufen ihre Modelle zu Sonderpreisen, so wird ein »Mercedes 280« statt für 16 000 DM für nur noch 12 000 DM zum Verkauf angeboten.

Chroniknet