Kleine Preise und hohe Qualität sollen Absatzkrise stoppen

Auto und Verkehr 1974:

Die Situation in der Automobilbranche ist 1974 gekennzeichnet von einer starken Absatzkrise, daraus folgender Kurzarbeit und Massenentlassungen, so z.B. bei den Firmen Fiat, Citroën und dem Volkswagenwerk. Die Unternehmen rechnen in diesem Jahr mit Umsatzeinbußen von rund 20%.

Die beiden französischen Hersteller Peugeot und Citroën geben im Juni wegen der wirtschaftlichen Flaute sogar die Fusion ihrer Unternehmen bekannt: Der gemeinsame Konzern deckt nun 36% des französischen und gut 12% des europäischen Automarktes ab. Beide Firmen sollen aber weiterhin mit ihren eigenen Programmen auftreten.

Die britische Firma Rolls-Royce kann sich im westlichen Ausland nicht über Auftragsrückgänge beklagen: Bereits im Mai ist die gesamte Jahresproduktion verkauft, die Kunden müssen Lieferfristen von bis zu drei Jahren in Kauf nehmen. Nur wenige Abnehmer können sich solche Luxuslimousinen leisten. Insgesamt werden aber trotz angespannter Absatzlage in der Bundesrepublik noch 1 888 270 Personenwagen neu zugelassen, wobei der VW-Konzern vor Opel und Daimler-Benz die größten Herstelleranteile besitzt.

Angesichts weiter steigender Benzinpreise (<!– –>1.1.<!– –>) und der seit dem 13. März auf Autobahnen gültigen unverbindlichen Richtgeschwindigkeit von 130 km/h die Hersteller auf möglichst sparsamen Verbrauch, erschwingliche Preise bei guter Qualität und ansprechenden Formen ihrer neuen Wagen: Bei VW in Wolfsburg wird mit dem »Scirocco« z.B. ein Coupé mit Vierzylinder-Reihenmotor und einem »Mini«-Leergewicht von nur 770 kg vorgestellt. Der Stilist Giorgio Gingiaro zeichnet für die sportliche Karosserie verantwortlich. Der Italiener hat bei seinem Entwurf Wert auf eine aerodynamische Keilform gelegt. Der Preis liegt je nach Ausstattung zwischen 9480 und 10 050 DM und stellt damit auf dem Coupé-Markt echte Konkurrenz dar.

Wie der »Scirocco« bestechen auch die neuen VW-Modelle »Passat«, »Golf« und »Audi 50« durch ihr ungewöhnlich sicheres Fahrverhalten: Eine neuartige Verbund-Lenker-Hinterachse mit stabilisierendem Querträger sorgt für diese Qualitätsverbesserung.

Der schwedische Autoproduzent Volvo konstruiert eine neue Vorderachse mit Federbeinen, um Fahrsicherheit und -komfort zu erhöhen. Seine beiden Modellreihen »240« und »260« präsentieren u.a. durch neuartige Motoren »technisch den größten Wandel seit 1945«. Von ihrem Äußeren bleiben sie aber genauso wuchtig wie ihre Vorgänger. Durch eine verlängerte und abgeschrägte Kühlerfront haben die Wagen allerdings eine größere Sicherheitszone.

Die sog. Sparkunden spricht der spanische Importschlager »SEAT 133« an, stilistisch eine Kreuzung zwischen dem »Fiat 126« und »Fiat 127«, mit 5500 DM aber rund 1000 DM günstiger.

Wer trotz des Tempolimits nicht auf Schnelligkeit verzichten mag, ist mit der GT-Version der »Alfetta«-Limousine der italienischen Autofirma Alfa-Romeo gut bedient. Sie kostet rund 17 000 DM und entspricht bereits gehobenen Mittelklasseansprüchen.

US-amerikanische Hersteller denken über eine Wachablösung ihrer unwirtschaftlichen Straßenkreuzer nach: So bietet z.B. Ford ab Herbst die Kompakttypen »Grenada« und »Monarch« an. Sie sind zwar kürzer und leichter als ihre Vorgänger, die Sechs- und Achtzylinder zeichnen sich aber keineswegs durch Sparsamkeit aus. Wie die Zeitung »New York Times« annimmt, sind die neuen Modelle »vermutlich die teuersten kleinen Autos, die je gebaut wurden«.

Chroniknet