Mit Gags gegen Uniformität

Werbung 1982:

In der bundesdeutschen Werbebranche ist auch 1982 von der anhaltenden Rezession nichts zu spüren. Mit 13,0 Mrd. DM liegen die Umsätze der Werbewirtschaft um 4% über denen des Vorjahres. Diese Entwicklung ist vor allem darauf zurückzuführen, dass die ohnehin bereits sehr werbeintensiven Branchen wie die Hersteller von Körperpflegemitteln, die Autoindustrie, Banken oder der Handel in Zeiten wachsenden Konkurrenzdrucks ihre Werbeausgaben noch einmal kräftig erhöhen.

Dass die Werbung inzwischen von fast allen Anbietern als wichtiger Faktor einer Verkaufsstrategie akzeptiert wird, zeigt besonders das Beispiel der Banken. Noch in den 60er Jahren betrieben sie allenfalls spärliche Werbung; nachdem sich in den letzten Jahren jedoch ihre Kundschaft beträchtlich gewandelt hat – früher betreuten sie vor allem Geschäftskunden, inzwischen verfügen jedoch auch mehr als 90% der Bundesbürger über 14 Jahre über ein privates Konto –, versuchen die Banken, mit Hilfe attraktiver Werbung eine neue Klientel zu gewinnen.

Da sich die Leistungen der einzelnen Institute nicht wesentlich voneinander unterscheiden, setzen die Banken vor allem auf Imagewerbung: Die Dresdner Bank verspricht »das grüne Band der Sympathie«, die Sparkassen grüßen »Guten Morgen, Geld«, die Postgiroämter beantworten die Frage »Warum hat ein Mensch sein Girokonto bei der Post?«.

Aber nicht nur durch die Akquisition neuer Branchen, sondern auch durch eine Erweiterung der Werbeträger hofft die Werbewirtschaft in den nächsten Jahren ihren Umsatz weiter steigern zu können. Nachdem die neue Bundesregierung ihre Absicht signalisiert hat, auch privaten Programmanbietern den Weg zu Rundfunk und Fernsehen zu ebnen, wird mit einer erheblichen Expansion der Werbung in diesen Medien gerechnet.

Ein erster Ansatz in diese Richtung ist das »Journal Koblenz 1«, das von Ende Juli an über große Videowände an belebten Stellen der Koblenzer Innenstadt verbreitet wird. Per Videokassette – und damit nicht den Bestimmungen des Rundfunkrechts unterliegend – wird täglich zwischen 9 und 19 Uhr ein jeweils 55minütiges Programm ausgestrahlt, das aus zwei Dritteln Werbung und einem Drittel Lokalnachrichten besteht. Der größte Teil der Spots stammt vom örtlichen Handel, jedoch zeigen auch überregionale Unternehmen Interesse an dem Werbeträger.

Die öffentlich-rechtlichen Fernsehanstalten beklagen unterdessen einen beträchtlichen Zuschauerschwund bei der von ihnen ausgestrahlten Werbung, die nur im Vorabendprogramm zwischen 18 und 20 Uhr gesendet werden und 20 Minuten täglich nicht überschreiten darf. Statt bei fast 25% wie in den 70er Jahren liegen die Zuschauerzahlen nur noch bei 10 bis 15%. Als Ursache hierfür gilt in erster Linie die Eintönigkeit der Spots, die von einigen Werbern als »perfekte Langeweile« oder »überoptimistische, kitschige Heile-Welt-Werbung«, die den Verbraucher »auf schlimme Weise« unterschätzt, eingestuft werden.

Um diesem Manko abzuhelfen und die Werbeeinnahmen nicht zu gefährden, die bei der ARD rund 20%, beim ZDF sogar 40% des Gesamtbudgets ausmachen, suchen die Sender nach neuen Wegen. So versucht es das ZDF mit einer »Patshow« (product-and-talentshow), die von Anfang 1983 an alle sechs Wochen samstags vor den 19-Uhr-Nachrichten ausgestrahlt werden soll. Dabei preisen sechs Laiendarsteller, die sich auf Anzeigen gemeldet haben, jeweils ein Markenprodukt an. Die Zuschauer sind aufgefordert, den »besten Darsteller« auszuwählen, der dann mit einem Preis belohnt wird.

Bei einem Zuschauertest erweist sich die unprofessionelle »Patshow«, deren Darbietungen »spontan, lebendig und ehrlich wirken«, gegenüber herkömmlichen Spots als weit einprägsamer. Ihre Macher führen dies darauf zurück, dass sie ein »Anti-Programm zur abgeschlafften TV-Werbung« ist.

Chroniknet