Bauen als Imagepflege

Architektur 1986:

1986 setzt sich verstärkt ein Trend durch, der sich in den vergangenen Jahren bereits ankündigte: Avantgardistische Architektur wird zum Imageträger kapitalkräftiger Konzerne. Mehr und mehr werden internationale Stararchitekten mit dem Entwurf firmenspezifischer Projekte beauftragt; gleichzeitig eröffnen sich der Baukunst neue finanzielle wie konzeptionelle Dimensionen.

So sind es u.a. zwei Banken und ein US-amerikanisches Großunternehmen im Gesundheitsbereich, die mit ihren Verwaltungsbauten Furore machen. Das vieldiskutierte Humana Building in Louisville/Kentucky spielt mit historischen Motiven wie Triumphbogen, Kolonnade und Loggia sowie mit der klassischen Gliederung in Sockel, Hauptgeschosse und Giebel. Sanfte Farben akzentuieren die Fassaden; sie sind eine deutliche Absage an die lange favorisierte Architektur weißer Volumina, wie sie vor allem Richard Meier geprägt hat. Michael Graves, der Architekt dieses den Prinzipien der Postmoderne verpflichteten Baus, ging als Sieger aus einem 1982 veranstalteten Wettbewerb hervor, an dem u.a. Norman Foster, Murphy/Jahn Associates und Cesar Pelli teilnahmen, also die Creme de la Creme der aktuellen Architektenszene. Während das Humana Building Einbindung in die Tradition und – konsequenterweise – auch in das Stadtbild sucht, ist das Verwaltungsgebäude der Hongkong & Shanghai Bank in Hongkong Monument eines ungebrochenen Glaubens an die Zukunft der Technologie. Mit ihm vollendete 1986 der Brite Sir Norman Foster das bislang wohl teuerste Bankgebäude der Welt (ca. 1,5 Mrd. DM). Fosters Bau ist eine ebenso elegante wie subtile Verschmelzung von Funktionalität, technischer Innovation und architektonischer Gestaltungskraft: Das Gebäude »hängt« an 4×2 Stahlmasten, die in mehreren Ebenen versteift sind. Ein Glasdach überspannt die zentrale Halle, in die Tageslicht mittels Spiegeln und Sonnenkollektoren geleitet wird. Dominierend ist jedoch die Tragstruktur, die im Äußeren wie im Inneren ästhetisch in Szene gesetzt wird.

Die offenliegende Konstruktion wird auch von Richard Rogers & Partner zum Stilprinzip erhoben: Die Londoner Zentrale des Versicherungskonzerns Lloyd’s besteht gleichfalls aus einem hohen Lichthof, auf den sich die umliegenden Geschosse öffnen; sämtliche versorgungstechnischen Einrichtungen sind nach außen gestülpt. High-Tech bestimmt das Erscheinungsbild des Baus, doch werden durch die Schönheit des Materials und die filigran in den Himmel ragenden Strukturen Anklänge an gotische Kathedralen spürbar.

Neben den Verwaltungszentralen bleibt auch in diesem Jahr der Museumsbau im Gespräch: In Houston/Texas vollendet Renzo Piano die De Menil Collection, einen offenen, leichten Bau, der sich flexibel verschiedenen Funktionen – Ausstellungsraum, Theater, Kulturzentrum – anpasst in Los Angeles wird das Museum of Contemporary Art (MOCA) von dem japanischen Architekten Arata Isozaki fertiggestellt In Paris wird das Musée d’Orsay eröffnet, das in einem ehemaligen Bahnhofsgebäude am linken Seine-Ufer untergebracht ist. Gae Aulenti hat den Innenraum mit massiven Trennwänden und monumentalen Aufgängen so gestaltet, dass mancher sich an eine »Aida«-Dekoration erinnert fühlt.

In der Bundesrepublik Deutschland öffnet sich mit dem Doppelbau des Wallraf-Richartz-Museums/Museum Ludwig von Peter Busmann und Godfried Haberer ein wichtiger Komplex dem Publikum; in Düsseldorf weiht man die Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen ein (<!– –>6.9.<!– –>). Widerhall in der Presse finden jedoch auch andere Themen: Die Gestaltung der »Schirn« in Frankfurt und die nostalgische Rekonstruktion des Marktplatzes in Hildesheim rufen kritische Stimmen, die die Einrichtung »öffentlicher Disneylands« in deutschen Städten fürchten, auf den Plan.

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