Erwerbslosigkeit weiter hoch

Arbeit und Soziales 1986:

Eine anhaltend hohe Arbeitslosigkeit in allen westlichen Industrieländern und der erbitterte Streit um die Änderung des sog. Streikparagrafen 116 Arbeitsförderungsgesetz in der Bundesrepublik Deutschland bestimmen im Jahr 1986 das Bild.

Trotz massiver gewerkschaftlicher Protestaktionen und juristischer Bedenken – u.a. durch ein im März 1986 vorgelegtes Gutachten des ehemaligen Verfassungsrechtlers Ernst Benda (CDU) – wird der § 116, der die Neutralitätspflicht der Bundesanstalt für Arbeit regelt, novelliert. Der seit 1969 geltende Paragraf 116 sagt aus, dass durch die finanziellen Leistungen der Bundesanstalt keine Tarifpartei begünstigt werden darf.

Nach dem Metall-Arbeitskampf 1984, bei dem durch Streiks bei den Zulieferern die großen Autohersteller lahmgelegt wurden und die dort Beschäftigten Arbeitslosengeld erhielten, erschien der Regierung eine Neuregelung nötig. Bisher galt nur allgemein, dass ein Arbeitnehmer, der durch Beteiligung an einem inländischen Arbeitskampf arbeitslos wird, bis zum Ende des Streiks keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld hat. Künftig sind Arbeitnehmer, die vom Streik in einem anderen Betrieb der gleichen Branche mittelbar betroffen werden, in der Regel ohne Anspruch auf Lohnersatz. Die Gewerkschaften sehen dadurch das Streikrecht eingeschränkt, weil die Streikkosten unkalkulierbar würden.

Das Thema Arbeitszeitverkürzung bleibt nach der – in der westdeutschen Metall- und Druckindustrie zum 1. April 1985 durchgesetzten Verkürzung der Wochenarbeitszeit auf 38,5 Stunden zwischen den Tarifpartnern umstritten. Die durchschnittliche bezahlte Wochenarbeitszeit der vollbeschäftigten Arbeiter in der Industrie sinkt 1986 geringfügig bei Männern auf 40,8 Stunden (1985: 40,9 Stunden) und bei Frauen auf 39,2 Stunden (39,5 Stunden). Die Bruttostundenlöhne steigen im Durchschnitt in der Industrie um 60 Pfennig auf 16,99 DM an, wobei weiterhin große Unterschiede zwischen Männern (17,85 DM) und Frauen (13,04 DM) bestehen.

In der Eisen- und Metallindustrie von Österreich tritt zum 1. November 1986 die 38,5-Stunden-Woche in Kraft. Ebenso wie in der Bundesrepublik ist die Verkürzung der Arbeitszeit mit einer Flexibilisierung verbunden.

Trotz der konjunkturellen Aufwärtsentwicklung geht die Zahl der Arbeitslosen in der Bundesrepublik Deutschland mit 2,23 Mio. gegenüber dem Vorjahr nur um 77 000 zurück. Die Arbeitslosenquote beträgt 9% (1985: 9,3%). Zu der offiziell registrierten Arbeitslosigkeit kommt noch eine stille Reserve hinzu. Die Zahl der nichtregistrierten Arbeitslosen wird von der Bundesanstalt für Arbeit auf 1,4 Mio. geschätzt. Erst in den 90er Jahren rechnen Experten mit einem Rückgang der Arbeitslosenzahl auf unter 2 Mio. Seit 1981 sind regelmäßig im Jahresdurchschnitt weit über 1 Mio. Menschen erwerbslos, seit 1983 waren es stets mehr als 2,2 Mio. Wer arbeitslos geworden ist, findet immer schwerer eine neue Beschäftigung: Bis Ende September 1986 ist die durchschnittliche Dauer der Erwerbslosigkeit auf sieben Monate gestiegen. In Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen der Bundesanstalt für Arbeit sind 1986 knapp über 100 000 Personen tätig.

Zum 1. Januar 1986 tritt in der Bundesrepublik die 7. Novelle des Arbeitsförderungsgesetzes in Kraft. Die Höchstdauer für den Bezug von Arbeitslosengeld wird für Erwerbslose über 45 Jahre von 12 auf 16 Monate verlängert, für Erwerbslose über 50 Jahre von 18 auf 20 Monate. Ab dem 58. Lebensjahr können Erwerbslose Arbeitslosengeld oder -hilfe beziehen, ohne dass sie der Arbeitsvermittlung zur Verfügung stehen müssen.

Die Zahl der Erwerbstätigen steigt im Jahr 1986 auf 26,9 Mio. (plus 1,2%) an; neue Arbeitsplätze entstehen u.a. in der Investitionsgüterindustrie. In anderen Branchen – wie im Bergbau und der Konsumgüterindustrie – fallen hingegen weiter Stellen fort.

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