Skandale verunsichern Bürger

Skandale verunsichern Bürger
30 Jahre nach dem Reaktorunglück von Tschernobyl sind immer noch viele Wildschweine in Bayern radioaktiv belastet. By Dave Pape (Own work) [Public domain], via Wikimedia Commons

Ernährung, Essen und Trinken 1987:

Die Bundesbürger vermehrt auf eine Ernährung mit unbelasteten, möglichst naturbelassenen Lebensmitteln. Sog. Bio-Läden, die Produkte aus biodynamischem Landbau führen, haben trotz höherer Preise Hochkonjunktur.

Einer der Gründe, warum viele Deutsche ein verändertes Bewusstsein für ihre Ernährung bekommen, ist die Tschernobyl-Katastrophe des Jahres 1986. Der durch den verheerenden sowjetischen Reaktorunfall verursachte radioaktive Niederschlag hatte auch die Anbauflächen in Westeuropa erreicht. Die Folge ist eine messbare Belastung vieler landwirtschaftlicher Produkte. Aus diesem Grund verlangen Verbraucherverbände eine Kennzeichnung der betroffenen Lebensmittel. Sowohl von den Erzeugern als auch von der Bundesregierung wird diese Forderung jedoch als überzogen zurückgewiesen. Von einer Gesundheitsgefährdung durch radioaktiv belastete Lebensmittel könne keine Rede sein. Lediglich Waldpilze sollten gemieden werden.

Für weitere Verunsicherung der Verbraucher sorgen Lebensmittelskandale. Im Mai 1987 berichtet die Presse über katastrophale hygienische Verhältnisse bei der Produktion von Nudeln. Mehrere in Baden-Württemberg angesiedelte Hersteller sollen systematisch verdorbenes, z.T. angebrütetes Flüssigei bei der Herstellung der Teigwaren verwendet haben.

Auch die Fischindustrie gerät in die Schlagzeilen. Das ARD-Magazin »Monitor« berichtet am 28. Juli über lebende Würmer (Nematoden), die in großer Zahl Fischprodukte bevölkern. Obwohl die Industrie abwiegelt – Nematoden werden durch Kochen oder Gefrieren abgetötet, verbleiben aber im Produkt –, geht der Absatz von Fisch in den folgenden Wochen drastisch zurück. Die Bundesregierung ordnet schärfere Kontrollen an und schreibt den Verarbeitungsbetrieben die Einrichtung von Leuchttischen zur Aufspürung der Würmer in den Fischen vor.

Ein Aufschrei geht durch die Bundesrepublik, als am <!– 12.3.1987 –> der Europäische Gerichtshof eine das deutsche Nationalgetränk Bier betreffende Entscheidung fällt. Das Importverbot für Gerstensaft, der nicht nach dem Reinheitsgebot von 1516 hergestellt wird, gilt künftig nicht mehr. Ausländische Produzenten dürfen nun ihr z.T. aus Mais, Soja, Reis oder Hirse hergestelltes Gebräu auf dem deutschen Markt anbieten.

Trotz der Lebensmittelskandale, Schadstoffen in Nahrungsmitteln und unverständlichen EG-Entscheidungen haben die Bundesbürger ihren Spaß am Schlemmen nicht verloren. Der Trend zur feinen Küche ist eindeutig. Dabei wird vor allem auf die Verwendung hochwertiger Lebensmittel geachtet, die schonend zu meist fettarmen Gerichten verarbeitet werden. Spitzenrestaurants haben großen Zulauf. Für die Gourmetküche daheim werden selbst in kleineren Supermärkten Theken und Regale mit qualitativ besonders hochwertigen, aber auch teuren Lebensmitteln eingerichtet.

Chroniknet