Flaute auf dem Arbeitsmarkt

Arbeit und Soziales 1989:

Auf den anhaltend hohen Stand der Arbeitslosigkeit reagiert die deutsche Bundesregierung mit dem Versuch der Wiedereingliederung von Langzeitarbeitslosen und einer neuen Vorruhestandsregelung. Der Mangel an preiswertem Wohnraum wird zusehends zu einem brisanten sozialpolitischen Thema. Eine Rentenreform begrenzt die Steigerung der Altersruhegelder.

Mit 2,038 Mio. Erwerbslosen in der Bundesrepublik wird auch 1989 wie in den vergangenen Jahren (seit 1983) die 2-Mio.-Grenze nicht unterschritten. Die Arbeitslosenquote liegt bei 7,9% (1988: 8,7%). 31% der Erwerbslosen sind länger als ein Jahr ohne Beschäftigung, die Hälfte von ihnen länger als zwei Jahre. Am 31. Mai stellt Bundesarbeitsminister Norbert Blüm (CDU) ein Programm für Langzeitarbeitslose vor. Vom 1. Juli an sollen Arbeitgebern Lohnkostenzuschüsse in Höhe von insgesamt 1,75 Mrd. DM zur Verfügung gestellt werden, wenn sie Langzeitarbeitslose bzw. schwer vermittelbare Arbeitslose einstellen oder qualifizieren. Allerdings werden im ersten Jahr nur knapp 28 000 statt wie erhofft 70 000 Langzeiterwerbslose vermittelt.

Durch die neue Altersteilzeit wird Arbeitnehmern nach Vollendung des 58. Lebensjahres ein gleitender Übergang in den Ruhestand ermöglicht. Der Arbeitnehmer erhält in dieser Zeit für die Hälfte der Arbeitszeit rund 70% des letzten Nettolohns. Die Altersteilzeit löst das bis Ende 1988 befristete Vorruhestandsgesetz ab. Bei den Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen (ABM) begrenzt Anfang 1989 eine Gesetzesnovelle den Höchstfördersatz, zu dem das Arbeitsamt die Lohnkosten für allgemeine ABM übernimmt, auf 75% (vorher 80%), macht jedoch eine bis zu 100-prozentige Förderung in Notstandsgebieten möglich. 1989 sind 96 600 Personen in ABM tätig (1988: 115 000).

Zum 1. April wird die Arbeitszeit im öffentlichen Dienst von 40 auf 39 Wochenstunden reduziert, in der Metallindustrie von 37,5 auf 37 Stunden. Nach Angaben des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) sind seit 1984 durch Arbeitszeitverkürzung rund 410 000 neue Stellen geschaffen worden. 1989 beträgt die durchschnittliche tarifvertraglich festgelegte Arbeitszeit in der Bundesrepublik 38,55 Stunden (1988: 38,97). Am 10. März einigen sich die Tarifparteien der Druckindustrie auf einen neuen Manteltarifvertrag für ihre 220 000 Beschäftigten, wonach Samstagsarbeit nur noch in Ausnahmefällen und in Form von Überstunden zulässig sein soll. Gegenläufige Tendenzen – eine flexiblere Wochenarbeitszeit mit dem Samstag als vollem Arbeitstag – sind jedoch in vielen deutschen Automobilunternehmen die Regel. Im Einzelhandel wird am <!– –>5. Oktober<!– –> der »lange Donnerstag« (bis 20.30 Uhr) eingeführt.

Angesichts steigender Mieten vor allem in Ballungsgebieten – seit 1983 um rund 40% im Bundesdurchschnitt – wirkt das Urteil des Bundesverfassungsgerichts (vom 14. 2. 1989) über Wohnungskündigungen bei Eigenbedarf alarmierend: Eine Eigenbedarfskündigung ist dann rechtens, wenn der Vermieter einen »vernünftigen und nachvollziehbaren Grund« vorweisen kann. Die Karlsruher Richter schließen sich einer 1988 getroffenen Entscheidung des Bundesgerichtshofs an, durch die Eigenbedarfskündigungen erleichtert wurden.

Als Reaktion auf die zunehmende Wohnungsnot beschließt die Bonner Regierungskoalition am 7. November, für den Bau von Sozialwohnungen in den vier Jahren 8 Mrd. DM auszugeben. Das ist fast doppelt so viel wie ursprünglich geplant. Damit sollen bis 1993 480 000 Sozialwohnungen entstehen (<!– –>7.11.<!– –>).

Am 9. November billigt der Bundestag die Reform der gesetzlichen Rentenversicherung. Sie koppelt die alljährlich zum 1. Juli fällige Rentenanpassung an die durchschnittlichen Nettoeinkommen der Arbeiter und Angestellten statt an die Bruttoeinkommen. Dadurch soll verhindert werden, dass die Altersruhegelder stärker als die Nettolöhne steigen.

Chroniknet