Reisetrend zurück zur Natur

Urlaub und Freizeit 1989:

Für die Tourismusbranche ist 1989 ein Jahr des Umdenkens. Zwar sind Reisen weiter sehr gefragt, jedoch zeigen sich die Verbraucher deutlich kritischer als noch vor wenigen Jahren.

Explodierende Preise, schlechter Service, eine fehlende Lenkung des Massentourismus, die überfüllte Urlaubsorte und überforderte Gastgeber zur Folge hat, werden von den Kunden nicht länger hingenommen. Vor allem aber zeigen sich in etlichen Ländern gravierende Umweltschäden, die viele potenzielle Besucher abschrecken.

Laut Umfrage fühlten sich 1988 knapp die Hälfte der bundesdeutschen Touristen in den Ferien durch Umweltprobleme gestört. Kritikpunkte waren verschmutzte Gewässer und Strände, Waldsterben sowie durch Ferienanlagen verschandelte Landschaften.

Der Tourismus ist weltweit ein bedeutender Wirtschaftsfaktor: Er stellt nach Erdölprodukten und Autos die drittgrößte Handelsware dar. Auf die Kritik von Kunden und Umweltschützern reagiert die Branche mit neuen Plänen. Gedacht ist an die Umstrukturierung von Urlaubsregionen, wo riesige Hotelanlagen durch landschaftsschonendere Unterkünfte ersetzt werden sollen, die Entwicklung differenzierterer Angebote und eine bessere Verteilung des Touristenstroms.

Zeichen der Zeit ist auch der Vorschlag des Internationalen Verbandes der Reiseveranstalter, Ferienregionen mit einem Gütesiegel für Umweltschutz und Sauberkeit auszuzeichnen, sowie der zum dritten Mal vergebene Umweltpreis des Deutschen Reisebüroverbandes.

Über grundsätzliche Überlegungen hinaus bemühen sich die Anbieter, ihre Kunden durch Sonderaktionen von ihrem Engagement für die Umwelt zu überzeugen. Der deutsche Tourismusriese TUI erreicht mit einer Säuberungsaktion an den Stränden der Mittelmeerinsel Menorca nicht nur Publicity, sondern auch die Zusage der örtlichen Behörden, sich stärker um die Strandreinigung zu kümmern.

Allerdings stoßen die Anstrengungen der Reisebranche auch auf Kritik. Umweltverbände warnen davor, weitere intakte Landschaften für den Tourismus zu öffnen. Die armen Länder, die auf die Einnahmen aus dem Reiseverkehr angewiesen sind, aber auch besonders unter den Folgen des Massentourismus leiden, wehren sich indes, weniger Gäste aufzunehmen.

Besondere Probleme haben 1989 Italien, wo ein explosionsartiges Algenwachstum an der Adria die Zahl der Gäste deutlich sinken lässt (<!– –>7.6.<!– –>), und Spanien, dessen überfüllte Strände mit ihren unansehnlichen Hotelbauten auf viele Touristen keinen Reiz mehr ausüben. Die Abkehr von diesen klassischen Urlaubsregionen im Mittelmeerraum, die den Touristen auch zu teuer geworden sind, kommt vor allem der Türkei zugute. Hier werden immer mehr Küstenabschnitte für den Tourismus erschlossen, ohne die Fehler anderer Mittelmeeranrainer zu wiederholen. Bei stetig wachsendem Besucherstrom steigt allerdings auch hier die Gefahr von Umwelt- und Sozialschäden.

Gewinner des Jahres sind in erster Linie einige Ostblockländer, allen voran die Tschechoslowakei und Ungarn, die im Zuge der politischen Liberalisierung für Besucher aus dem Westen an Attraktivität gewinnen.

Weiter im Kommen sind außerdem Südostasien und der pazifische Raum. Die Volksrepublik China wird nach der Niederschlagung der Demokratiebewegung (<!– –>4.6.<!– –>) von vielen Reisenden boykottiert. Trotz Preissenkungen bis zu 20% sinkt ab Juni die Zahl der Chinareisenden um die Hälfte.

Chroniknet