Architektur 1991:
Architektur für die Welt von morgen, so könnte man etwas verallgemeinernd den Trend der Baukunst im Jahr 1991 charakterisieren. Fertiggestellt werden zum einen Verkehrsbauten, die das allgemeine Bedürfnis nach schönem Schein befriedigen, zum anderen komplexe »Park«-Anlagen, die den veränderten Gewohnheiten der Medien- und Freizeitgesellschaft entsprechen. Gemeinsame Kennzeichen: Hightech und raffiniertes Styling. Zur ersten Gruppe gehört Norman Fosters Flughafen in Stansted, der im Großraum London. In typischer Manier stellt Foster die konstruktiven Strukturen zur Schau und überspannt sie mit durchsichtigen Glasmembranen. Der Benutzer hat freie Sicht auf Gebäude und Rollbahn. Computergesteuertes Design (CAD) ist für Foster ein wesentlicher Teil des Planungsprozesses, das er überzeugend für seine künstlerischen Konzepte einsetzt. Auf deutschem Boden bietet der Bahnhof von Kassel-Wilhelmshöhe ein Beispiel für Hightech-Ästhetik.
Einen Zweckbau präsentiert auch Günter Behnisch mit dem Kindergarten Luginsland in Stuttgart. Auf verblüffend spielerische Art geht der Architekt, der bereits 1987 mit dem Stuttgarter Hysolar-Institut weltweit Aufsehen erregte, mit dem Thema Technik um: Er inszeniert einmal mehr das konstruktive Chaos; der scheinbar wie ein Schiff versinkende Bau liefert eine Persiflage auf technische Perfektion.
Ganz anders das Museum für Moderne Kunst in Frankfurt, der jüngste Kulturbau der Mainmetropole. Auf beeindruckende Weise meistert der österreichische Architekt Hans Hollein die schwierige Aufgabe, auf einem dreieckigen Grundriss ein attraktives, städtebaulich wirksames und nicht zuletzt funktionales Museum zu errichten. Einziges Problem des Baus: Die detailreiche, zuweilen überzogen dekorative Gestaltung der innenräume betont mehr die Architektur selbst als die darin gezeigten Exponate.
Das gesteigerte Verlangen nach einer kulturellen Freizeitgestaltung schafft neue Bauaufgaben: Weltweit entstehen populärwissenschaftliche Technologieparks mit aufsehenerregender Architektur. Vergleichbar sind diese nur mit dem einstigen »Experimentierfeld« Weltausstellung: Direktes Vorbild ist das Epcot-Center in Orlando/Florida, Teil des Disneyworld-Imperiums. Während der dort inszenierte Traum von der Welt von morgen mittlerweile in die Jahre gekommen ist, konstruiert man in Frankreich bereits die Welt von übermorgen: Nördlich von Poitiers entsteht Futuroscope, eine Mischung aus Disneyland und Forschungszentrum. Entsprechend spektakulär ist die Architektur: Einem überdimensionalen Bergkristall gleicht das »Kinémax« mit der größten Leinwand Europas, das »Internationale Institut für innovative Forschung« hat die Form einer Lotusblüte, der Kommunikationspavillon soll – so sein Architekt Denis Laming – einen Wassertropfen symbolisieren.
Wesentlich differenzierter, wenngleich nicht minder eigenwillig, präsentiert sich der Pariser Park La Villette, der 1991 im Wesentlichen fertiggestellt wird. Der monumentalen »Cité des Sciences et de l’Industrie« und dem blanken Kugelbau des »Théatre Géode« sind die »Folies« des Schweizers Bernard Tschumi gegenübergestellt. Diese »Verrücktheiten« – knallrote Pavillons – sind die einzigen wirklich avantgardistischen Bauten im Park, auch wenn sie den Einfluss des russischen Konstruktivismus der ersten Dekaden dieses Jahrhunderts verraten.
Wesentlich bodenständiger nimmt sich ein deutsches Projekt aus: Im Winter 1990/91 fällt der Startschuss zum Media Park in Köln. Unter Beteiligung internationaler Stararchitekten soll hier ein Mekka der Technologie entstehen, das innovative Produktions- und Forschungsstätten mit einem attraktiven Kultur- und Freizeitangebot verbindet. Die Rahmenplanung übernimmt der deutsch-kanadische Architekt Eberhard Zeidler, Leiter der Jury ist der Wiener Gustav Peichl.