Proteste gegen Blechlawine

Proteste gegen Blechlawine
ICE-1-Triebkopf 401 002 im Münchner Hauptbahnhof. By Urmelbeauftragter (talk | contribs | Gallery) (German Wikipedia)Deutsch: Gesamtzahl meiner hochgeladenen Dateien: 865English: Total number of my uploaded files: 865Jürgen Heegmann ([email protected]) (Own work) [GFDL or CC BY-SA 3.0], via Wikimedia Commons

Verkehr 1991:

Der motorisierte Individualverkehr gerät 1991 zunehmend in die Kritik. Bei der Personenbeförderung werden vier von fünf Fahrten mit dem privaten Kraftfahrzeug unternommen. Der Verkehrsteilnehmer wird dadurch in der Stadt jedoch nicht mobiler, weil das durchschnittliche Tempo bei nur 20 km/h liegt. Bis zu 70% der Fahrzeit wird für die Suche nach Parkraum verwendet.

Vor allem auf kurzen Entfernungen stellt das Fahrrad inzwischen das deutlich schnellere Fortbewegungsmittel dar. Angesichts der zunehmenden Luftverschmutzung greifen viele Radfahrer zu Atemmasken. Die Gefährdung im Verkehr sorgt für ein zunehmendes Interesse an Schutzhelmen aus Styropor. Allein 1991 werden rd. 1 Mio. Radfahrerhelme verkauft.

Während in Westdeutschland die Zahl der Verkehrstoten weiter rückläufig ist (7541 gegenüber 7906 im Jahr 1990), steigt in Ostdeutschland die Zahl der Todesopfer aufgrund der wachsenden Motorisierung, der schnelleren Westautos und der Aufhebung von Geschwindigkeitsbegrenzungen auf Autobahnen steil an: 1991 sterben hier 3733 Menschen im Straßenverkehr, 1989 waren es mit 1784 weniger als die Hälfte.

Die hauptsächlichsten Unfallursachen sind nichtangepasste Geschwindigkeit und Missachtung der Vorfahrt. Gefährdet sind vor allem Kinder. Am 27. August stirbt an einer vielbefahrenen Durchgangsstraße in Hamburg ein neunjähriges Mädchen. Es wird von einem Lastwagen überfahren, dessen Fahrer die rote Ampel nicht beachtet hatte. Der Unfalltod des Mädchens gibt Anlass zu einem bundesweit beachteten Protest. Mit Demonstrationen und Blockaden bringen Anwohner den Durchgangsverkehr in den folgenden Tagen mehrfach zum Stillstand. Am 27. September werden in ganz Hamburg Durchgangsstraßen blockiert, ohne dass es zu dem befürchteten Verkehrschaos kommt: Die meisten Autofahrer steigen auf Bus und Bahn um. Der Hamburger Senat entschließt sich, auf der Unfallstraße eine Geschwindigkeitsbegrenzung von 30 km/h einzuführen und auf einer Spur lediglich Busse und Taxis zuzulassen.

Nach Lübeck, wo am Wochenende die City für den privaten Autoverkehr gesperrt ist, unternimmt Aachen einen zunächst bis zum Frühjahr 1992 befristeten Modellversuch, bei dem die Innenstadt am Samstag zwischen 10 und 17 Uhr nur für Fußgänger und Radfahrer passierbar ist. Kiel will bis 1995 die öffentlichen Dauerparkplätze in der City abzuschaffen und die Pendler dazu bewegen, ihre Autos vor der Stadt stehenzulassen. Gegen solche Park-and-Ride-Systeme, die ein Umsteigen vom privaten Pkw auf öffentliche Verkehrsmittel anbieten, wehren sich aber die betroffenen Gemeinden im Umland der Metropolen: Die Umsteigeparkplätze ziehen den Verkehr besonders an. Nach dem Vorbild Stockholms, wo das Befahren der Innenstadt nur nach Lösen einer Monatskarte der öffentlichen Verkehrsbetriebe möglich ist, erwägen Hamburg und auch andere Städte die Erhebung einer sog. Nahverkehrsabgabe.

Als Mustermetropole gilt Zürich, wo der Autoverkehr immer mehr eingeschränkt und gleichzeitig der Service der Straßenbahnen immer mehr ausgebaut wurde. Während in vielen Städten Ostdeutschlands die Straßenbahn aus Kostengründen aufs Abstellgleis rollt, mehren sich in den 68 West-Kommunen, in denen die Tram im Verlauf der letzten Jahrzehnte durch den Bus ersetzt wurde, die Stimmen für eine Wiedereinführung der umweltfreundlichen Straßenbahn.

Die unzureichende Förderung des Öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV) schlägt sich vielerorts in übermäßigen Wartezeiten und mangelndem Komfort nieder. Das von den Verkehrsplanern empfohlene »Umsteigen« erscheint vielen Autofahrern daher als wenig attraktiv.

Die Deutsche Bundesbahn startet am <!– 2. Juni 1991–> ihren Hochgeschwindigkeitszug InterCityExpress (ICE).

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