Politik und Gesellschaft 1991:
Während in Maastricht auf eine gemeinsame Zukunft angestoßen wird, zerfällt 2500 km weiter östlich, in Moskau, der Vielvölkerstaat Sowjetunion. Nach sechs Jahren muss Staats- und Parteichef Michail Gorbatschow sein Ziel aufgeben, Wirtschaft und Gesellschaft zu erneuern und zugleich die führende Rolle der KPdSU zu erhalten. Die 1922 gegründete Sowjetunion zerbricht im 69. Jahr ihres Bestehens an inneren Widersprüchen. Gorbatschows Politik der Offenheit (russisch: Glasnost) und der Umgestaltung (Perestroika) bringt es mit sich, dass innersowjetische Konflikte offen ausgetragen werden können, die jahrzehntelang unter dem Machtdiktat der Kremlherren schwelten.
Der zu Jahresbeginn unternommene vergebliche Versuch sowjetischer Truppen, die Aktivitäten der Freiheitsbewegung in Litauen, Lettland und Estland zu unterbinden, beschädigt das Image Gorbatschows als friedlicher Reformer. In dem am 12. Juni zum russischen Präsidenten gewählten Boris Jelzin erwächst ihm ein übermächtiger Gegner. Gorbatschow bleibt nur noch die Genugtuung, Ende Juli gemeinsam mit US-Präsident George Bush seine Unterschrift unter den START-Vertrag zur Reduzierung strategischer Atomraketen zu setzen, das letzte Rüstungskontrollabkommen zwischen beiden Supermächten. Als am 19. August, einen Tag vor der geplanten Unterzeichnung des von Gorbatschow ausgearbeiteten neuen Unionsvertrages, orthodoxe Kommunisten in Moskau putschen, zeichnet sich das Ende der Sowjetunion ab. Der Staatsstreich bricht nach drei Tagen zusammen, Jelzin kann dem auf der Krim festgesetzten Gorbatschow nach dessen Rückkehr in die Hauptstadt die Bedingungen für sein Handeln diktieren. Am 21. Dezember konstituiert sich als Nachfolgerin der UdSSR die Gemeinschaft Unabhängiger Staaten (GUS), in der Russland, und damit Jelzin, eine maßgebliche Rolle spielt.