Politik und Gesellschaft 1992:
Versöhnung zeichnet sich auch in zwei jahrzehntealten internationalen Konflikten ab: In Südafrika steht das weiße Apartheidregime vor dem Ende, und im Nahen Osten kommt mit der Arbeiterpartei Yitzhak Rabins eine kompromissbereite israelische Regierung ans Ruder. Dennoch ist der Verständigungsprozess in beiden Fällen noch auf Jahre hinaus von gewaltbereiten Fanatikern bedroht, die in Südafrika sogar von Hardlinern unter den Sicherheitskräften unterstützt werden.
Bedenklich bleibt nach wie vor die wirtschaftliche Lage, zumal es jetzt auch in Deutschland, das lange eine Insel der Prosperität war, bergab geht. Insbesondere im Osten deutet sich ein völliger Niedergang an, ganze Regionen bluten industriell aus. Die Bundesregierung ist deshalb gezwungen, von ihren ursprünglichen Versprechungen abzurücken: Auf »blühende Landschaften« werden die Arbeitslosen noch lange warten müssen.
Ähnlich problematisch entwickelt sich die Lage im Umweltschutz. Obwohl aber die Gefahren durch Treibhauseffekt, Ozonloch und Sommersmog immer deutlicher werden, lässt ein konsequentes Umsteuern auf sich warten. Das gilt auch für die UNO-Umweltkonferenz in Rio de Janeiro, die bisher größte in der Geschichte der Menschheit. Sie verbreitet aber wenigstens ein Bewusstsein dafür, wie groß der Zusammenhang zwischen Umweltverschmutzung und Armut in der sog. Dritten Welt ist.
Zur Problemregion entwickelt sich in erster Linie der schwarze Kontinent. Afrika, politisch längst vom Wind der Freiheit erfasst, wird von seinen Schulden erdrückt. Ob sich die neuen Demokratien angesichts der schweren Lasten werden halten können, bleibt fraglich. Dass ihr Aufbau aber tunlichst nicht mit westlichen Bajonetten vorangetrieben werden sollte, deutet sich zum Jahresende in Somalia an. Ursprünglich von der Bevölkerung begeistert begrüßt, wendet diese sich bald gegen die ausländischen Truppen. Westliche Arroganz gegenüber den uralten Traditionen am Horn von Afrika spielt eine nicht geringe Rolle bei dieser fatalen Entwicklung. Sie zeigt zudem, dass die immer lauter werdenden Rufe nach militärischen Lösungen politischer Probleme auf einen Irrweg führen.
So herrschen fast weltweit Ratlosigkeit, Unsicherheit, vielfach auch Ohnmacht in der politischen, ökonomischen und auch kulturellen Landschaft vor. Aufbruchstimmung findet sich nur vereinzelt und nur dann, wenn die Politik zu neuen Ufern aufbrechen und die Probleme aktiv angehen will, wie etwa in den USA der neu gewählte Präsident Bill Clinton.