Tourismusbranche wächst

Urlaub und Freizeit 1993:

Die Deutschen sind 1993 hinter den US-Amerikanern Vize-Weltmeister im Reisen. Für ihren Urlaub geben sie rd. 62 Mrd. DM aus. Weltweit unternehmen im Jahr 1993 etwa 500 Mio. Menschen, die allermeisten aus den Industrieländern, eine oder mehrere Urlaubsreisen und geben dabei insgesamt rd. 517 Mrd. DM aus, ein Anstieg gegenüber dem Vorjahr von 9%. Angesichts der Konjunkturschwäche in den meisten Industrieländern und sinkender Durchschnittseinkommen ist dieser anhaltende Aufwärtstrend in der Tourismusbranche erstaunlich; er beweist, dass Urlaubsreisen zu den wichtigsten Vergnügungen der Menschen in den Industriestaaten zählen, an denen sie auch bei angespannter Haushaltslage zunächst keine Abstriche machen wollen. In den westlichen Industriestaaten (OECD-Staaten) stieg der Umsatz im Tourismus 1993 real um 3%. Er erweist sich somit als eine Wachstumsbranche, die von Konjunkturschwankungen kaum negativ beeinflusst wird. Dies ist nicht zuletzt für mehrere kleinere Länder erfreulich, die wie etwa die Inselstaaten Seychellen, Malediven oder St. Lucia ihre Staatseinnahmen oft zu mehr als 30% aus dem Tourismusgeschäft erzielen.

Nach wie vor verbringt die größte Gruppe der Deutschen ihre Ferien in deutschen Urlaubsgebieten. Rund 25% der Urlauber steuern Reiseziele in Westdeutschland an. Dabei sind die beliebtesten Bundesländer Schleswig-Holstein und Bayern, gefolgt von Hessen und Rheinland-Pfalz.

Die von den Deutschen favorisierten ausländischen Reiseziele liegen 1993 in Spanien, Österreich und Italien. Bei der Wahl des Urlaubsorts gibt es in einigen Bereichen noch deutliche Unterschiede zwischen den Westdeutschen und den Bewohnern der neuen Bundesländer. Letztere entscheiden sich sehr viel häufiger für einen Ferienaufenthalt in Ostdeutschland als ihre Landsleute aus dem Westen. Kostengründe spielen dabei sicherlich eine wichtige Rolle.

Auch zieht es die Ostdeutschen stärker nach Österreich, während der Anteil der westdeutschen Touristen in Spanien oder auch in den Vereinigten Staaten deutlich höher ist als derjenige von Besuchern aus Ostdeutschland.

Sorge bereitet den deutschen Hoteliers, dass die Zahl der ausländischen Gäste 1993 um 9% auf 19,4 Mio. Personen zurückgeht. Als Gründe dafür vermutet der Deutsche Fremdenverkehrsverband die schlechte Wirtschaftslage in vielen Herkunftsländern, aber auch den Imageverlust Deutschlands aufgrund der vielen ausländerfeindlichen Anschläge und Übergriffe. Zwar geben die Deutschen insgesamt im europäischen Vergleich mit Abstand das meiste Geld für Tourismus aus, bei den Reiseausgaben pro Person liegen sie jedoch 1993 mit 996 DM innerhalb Europas lediglich an achter Stelle. Besonders großzügig verfahren in dieser Hinsicht die Österreicher und Norweger, die mit durchschnittlichen Reiseausgaben pro Einwohner von 1856 DM bzw. 1496 DM die Spitzenplätze einnehmen. Pro Haushalt geben die Deutschen im Jahr 1993 für den Urlaub im statistischen Durchschnitt 2291 DM aus.

Im Freizeitbereich erfreuen sich sog. Extremsportarten wachsender Beliebtheit. Immer mehr Menschen in den westlichen Industriestaaten suchen den Nervenkitzel bei risikoreichen Aktivitäten und loten die Grenzen ihrer physischen und psychischen Leistungsfähigkeit aus. Soziologisch und psychologisch geschulte Freizeitforscher interpretieren diese Entwicklung u. a. als Versuch, innerhalb einer Berufs- und Alltagswelt, die für viele Menschen immer weniger Herausforderungen bietet, risikobehaftete »Erlebniswelten« aufzusuchen, um einer öden Routine zu entfliehen. Zu diesen extremen Freizeitbeschäftigungen zählt u. a. das sog. Free Climbing, bei dem der Kletterer in Steilwänden nur durch ein Seil gesichert ist. Beim »canyoning« versucht man, sich in engen Schluchten gegen reißendes Wildwasser schwimmend, tauchend und kletternd fortzubewegen.

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