Vielfältiges zwischen Retro-Sixties und Future-Techno

Mode 1995:

Der Sixties-Retro-Look bringt Audrey Hepburns Shiftkleider und Jackie Kennedys Courrèges-Kostüme. Ebenso taucht das klassische Chanel-Kostüm, bevorzugt in Rosé, in unzähligen Kopien auf. Auch der eher konservative Chic der späten Fünfziger ist »in«: Das graue Tweedkostüm mit kurzer, taillierter Jacke und knieumspielendem Rock, dazu wird ein enger Twinset-Pullover getragen, der den »Wonderbra« umspannt. Oberweite ist wieder gefragt. Die Miederwarenindustrie verbucht mit »Push-up-bras« und »Wonderbras« ein hohes Umsatzplus. Lange Zoot-Suit-Jacken à la Harlem der 40er Jahre werden über engen Hüfthosen oder Micro-Minis getragen. Manch modische Jacke gleicht einem kurzen Redingote-Mantel und ist mit einem Samt- oder Pelzkragen besetzt.

Nach Femme fatale wirken lange, schwarze gehäkelte Schlauchkleider. In einem solchen von Karl Lagerfeld für Chanel – mit darunter nur einem schwarzen Paillettenslip – macht Supermodel Claudia Schiffer Furore.

Die Jugendmode schwankt zwischen trist und grell, zwischen Grunge und Neo-Hippie. Schwarze oder hautfarbene Satinkleider schlabbern um dürre, bleichgesichtige Models. Insbesondere das Hippie-Revival mit Blümchen-Häkelweste, Hose mit Schlag und Plateausohlen-Schuhen ist bei Teenies beliebt.

Girlish sexy wirkt der Unterwäsche-Look aus glänzendem Satin, egal ob einfaches Spaghettiträger-Unterkleid, Slipdress aus Spitze oder flatterndes Baby-Doll-Kleid. Bauchnabelfreiheit gilt als sexy, selbst beim Mann. Oberteile reichen gerade mal bis unter die Brust, kuschelige Angora-Pullover sind auf Kindergröße geschrumpft, Blusenenden werden im alten St.-Tropez-Stil über dem Bauch zusammengebunden, und Strickwesten bleiben ab der Brust offen: Hauptsache, der Bauch bleibt frei. Öko-Look und Naturstoffe sind »out«, Plastik ist das neue »In«-Material. Man setzt auf umweltschonende Herstellung sowie auf Recycling bei den Materialien aus der Retorte: Vinyl, Pleather (Imitatleder aus Polymicro-Nylon), Gummi, Lack, Neopren und Metallic-Synthetiks.

Auch Haarfarben sollen künstlich wirken: Fuchsienrot oder Rabenschwarz, gebleichte Strähnen oder Wasserstoffblond.

Als »In«-Designer wird der Österreicher Helmut Lang gehandelt, der schon seit einigen Jahren in Paris seine Kollektionen zeigt. Seine minimalistischen Etuikleider aus Spitze und Gummi, aus glänzenden Synthetiks und Musseline bringen den Szene-Trend auf den Punkt. Jil Sander beherrscht den Stil des Minimalismus am perfektesten. Ihre Hosenanzüge werden denen von Armani vorgezogen, weil sie die Idealkombination aus noch höheren Preisen und einem noch geringeren Erkennungswert bieten.

Die Männermode ist geprägt von dunklen Farben; Schwarz mit Braun oder Grau wirken intellektuell avantgardistisch. Jerseyhemden oder dunkle Hemden mit Stehkragen verbannen das weiße Hemd und die Krawatte vom Computer-Arbeitsplatz. Casual-wear wird jedoch nicht nur in Software-Firmen aufgegriffen.

Männliche Kids gefallen sich nach wie vor in Baggy Pants, engen Ringelpullis und Holzfällerhemden. Die männlichen Teens sind sehr darauf bedacht, immer das richtige Label zu tragen. Eine Wollhaube entspricht ihrer Selbstdarstellung, auch im Sommer.

Die Mode stellt sich in diesem Jahr auch auf der Leinwand dar. Robert Altmans Spielfilm »Pret-à-porter« und die Isaac-Mizrahi-Hommage »Unzipped« von Douglas Keeve lassen hinter den Laufsteg blicken.

Chroniknet