Blechlawine schwillt weiter ungebremst an

Verkehr 2000:

Auch im zweiten Jahr ihrer Amtszeit legt die rot-grüne Bundesregierung kein umfassendes verkehrspolitisches Konzept vor. Dabei erscheint angesichts der starken Belastung des Straßennetzes und des desolaten Zustands der Deutschen Bahn Handeln dringend erforderlich.

Eine Expertenkommission unter Leitung des früheren Bahn-Vorstandsmitglieds Wilhelm Pällmann legt Anfang September im Auftrag des Bundesverkehrsministeriums ein Gutachten zur Finanzierung der Verkehrsinfrastruktur vor. Darin wird eine neue Verkehrspolitik gefordert, um die Finanzierungslücke von 7,5 Mrd. DM beim Bau und Erhalt von Fernstraßen, Schienen und Wasserstraßen zu decken. Vorgeschlagen werden u. a. die Erhebung einer Nutzungsgebühr für Straßen sowie die Übernahme des Schienennetzes der Deutschen Bahn in die Verantwortung des Bundes. Das Streckennetz der Bahn ist stark sanierungsbedürftig und trägt in großem Umfang zum Defizit des Unternehmens bei.

Verkehrsminister Reinhard Klimmt (der zwei Monate später nach seiner Verurteilung im Zusammenhang mit seiner früheren Tätigkeit für den Fußballverein 1. FC Saarbrücken zurücktreten muss; lehnt die Vorschläge der Kommission allerdings ab. Die Bundesregierung plant nun lediglich, ab 2003 eine entfernungsabhängige Schwerverkehrsabgabe für die Benutzung von Autobahnen einzuführen. Da gleichzeitig die Kfz-Steuer gesenkt werden soll, wird allerdings die Tauglichkeit der Abgabe als Instrument zur Verkehrssteuerung infrage gestellt. Ein Ende der Staus, die die Volkswirtschaft mit jährlich 200 Mrd. DM belasten, ist also nicht in Sicht.

Auch der Deutsche Städte- und Gemeindebund verlangt eine stärkere Belastung des Lkw-Verkehrs, vor allem, weil die Instandhaltung des innerstädtischen Straßennetzes zu teuer wird: Laut einer Studie des Autoherstellers BMW verursacht ein Lkw ebenso große Straßenschäden wie 160 000 Pkw.

Ungeachtet aller Klagen hat sich die Zahl der schweren Lkws, die auf Deutschlands Straßen unterwegs sind, in den letzten 20 Jahren verdreifacht. Eine interne Prognose der Bundesregierung rechnet damit, dass sich das Transportaufkommen in den nächsten 15 Jahren noch einmal nahezu verdoppeln wird, wobei vor allem die Straßen als Verkehrswege noch stärker genutzt werden, während die Schienenwege nur geringe Zuwächse verzeichnen dürften. Die Dominanz des Straßenverkehrs ist u. a. auf die dramatisch veränderten Anforderungen an den Güterverkehr unter dem Stichwort »Just in time« zurückzuführen: Industrie und Handel nutzen die Lkws quasi als rollende Lager, die alles genau dann liefern, wenn es benötigt wird.

Chroniknet