Bildung 2000:
Wie kann die Wettbewerbsfähigkeit des deutschen Bildungssystems angesichts der Herausforderungen einer globalisierten Wirtschaft gesichert werden? Dies ist das zentrale bildungspolitische Thema des Jahres 2000, auch wenn das für Reformen nötige Geld in den Kassen von Ländern und Bund ebenso fehlt wie umfassende Konzepte.
Hinsichtlich der Schulen konzentrieren sich die Anstrengungen in den CDU- wie in den SPD-regierten Ländern nunmehr weniger darauf, Chancengleichheit zu sichern oder Schwächere zu fördern. Vielmehr geht es um die Schaffung besserer Bedingungen für die »Elite« unter den Schülern. So führen z. B. Hamburg und Nordrhein-Westfalen Modellversuche mit speziellen »Springer-Gruppen« durch, um leistungsstarke Schüler schneller zum Abitur zu bringen.
Nach fakultativen Angeboten eines »Turbo-Abiturs« nach zwölf Schuljahren, wie es sie seit einigen Jahren z. B. in Baden-Württemberg gibt, beschließt das CDU-regierte Saarland, Schüler, die ab 2001 von der Grundschule aufs Gymnasium wechseln, flächendeckend in zwölf Jahren zur Reifeprüfung zu führen. Auch der niedersächsische Ministerpräsident Sigmar Gabriel (SPD) denkt öffentlich über eine Verkürzung der Gymnasialzeit von bisher neun auf acht Jahre nach. Nach Jahren einer äußerst restriktiven Einstellungspolitik, der Absenkung der Einstiegsgehälter und der Erhöhung der Pflichtstundenzahl für Lehrer beginnen die Bildungsminister einiger Länder nun – obwohl seit Langem abzusehen ist, dass starke Jahrgänge vor der Pensionierung stehen – über Lehrermangel insbesondere an den Berufsschulen und generell in Fächern wie Informatik und Mathematik zu klagen. Nordrhein-Westfalen wirft dem Nachbarland Hessen vor, mit Lockangeboten Pädagogen abzuwerben.
Dass offenbar zu wenige Studenten mit dem Berufsziel Lehrer studieren, hat neben den ungünstigen äußeren Bedingungen vielleicht auch damit zu tun, dass dieser Berufsstand seit Langem als Prügelknabe für Versäumnisse aller Art herhalten muss. Um das Image aufzubessern, verständigen sich die Kultusminister der Länder mit den Lehrergewerkschaften und -verbänden im Oktober auf ein Leitbild für den Lehrerberuf. Die »Fachleute fürs Lernen« (so der Terminus in dem Papier) bekennen sich ausdrücklich zu einer ständigen Qualitätskontrolle von Schule und Unterricht, erwarten dafür aber im Gegenzug »Rückhalt von Öffentlichkeit, Eltern und Wirtschaft«. Wichtiger noch: Die Lehrer stellen sich in dem Papier wieder der Aufgabe, neben Wissen auch Werte zu vermitteln – sie erklären sich also bereit, die in der Nach-68er-Zeit verpönte Aufgabe der Erziehung ihrer Zöglinge zu übernehmen. Dafür, dass bei weiterhin geringer finanzieller Ausstattung die Effizienz der Lehre an deutschen Hochschulen gesteigert wird, soll eine Dienstrechtsreform sorgen, zu der Bundesbildungsministerin Edelgard Bulmahn (SPD) 2000 Grundzüge vorlegt. Geplant ist eine leistungsgerechtere Bezahlung der Lehrenden an Universitäten und Fachhochschulen: Wie es in einem im Herbst vorgelegten Modell heißt, soll es für Hochschullehrer zu einem monatlichen Grundgehalt zwischen 6000 und 8500 DM Leistungszulagen geben, die durchschnittlich etwa ein Viertel des Basisgehalts betragen. Mehr Geld für die Lehre sollen die Hochschulen allerdings nicht ausgeben – die Reform ist kostenneutral angelegt. Auf eine Gehaltsdifferenzierung zwischen Lehrenden an Fachhochschulen und Universitäten hat Bulmahn nach wütenden Protesten verzichtet. Mehr Wettbewerb in der akademischen Ausbildung ist nach dem Willen von Bund und Ländern ausdrücklich erwünscht. So können ab dem Wintersemester 2000/01 die Hochschulen bis zu 20% ihrer Studenten selbst aussuchen – doch die allerwenigsten machen davon Gebrauch.