Politik und Gesellschaft 2002:
Die Irakkrise ist einzuordnen in die neue Bedrohungslage nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001, denen in den USA Tausende zum Opfer fielen. Zwar wurde das Talibanregime in Afghanistan, das dem als Drahtzieher vermuteten Saudi Osama bin Laden und seiner Terrororganisation El Kaida Unterschlupf gewährt haben soll, schon Ende 2001 mit einem Militäreinsatz der USA vertrieben, doch bin Laden selbst ist nicht gefasst, und in Afghanistan halten sich weiterhin El-Kaida-Kämpfer auf, während eine internationale Schutztruppe unter deutscher Beteiligung in der Hauptstadt Kabul ein sicheres Umfeld für die neue Regierung von Präsident Hamid Karsai schaffen soll.
Abgesehen von der angespannten Situation im Nahen und Mittleren Osten – auch zwischen den Atommächten Pakistan und Indien wird wegen des eskalierenden Kaschmir-Konflikts der Ton rauer – wird die Terrorangst in der Bevölkerung 2002 durch eine Reihe von Bombenattentaten genährt, die sich u. a. gegen Touristenzentren auf Djerba, auf Bali und in Kenia richten. Während El Kaida sich zu diesen Anschlägen bekennt bzw. als Auftraggeber verdächtigt wird, sind es in Moskau tschetschenische Rebellen, die im Oktober über 800 Musicalbesucher in ihre Gewalt bringen. Als russische Sicherheitskräfte nach Tagen das Theater stürmen, kommen sämtliche Terroristen und 128 Geiseln ums Leben, Letztere vor allem durch das von der Polizei eingesetzte Betäubungsgas.
Der russische Präsident Wladimir Putin kann in Anbetracht der veränderten weltpolitischen Situation nach dem 11. September bedeutende außenpolitische Erfolge verbuchen. Im Zeichen des gemeinsamen Kampfes gegen den Terror rückt Moskau im Mai durch die Gründung des NATO-Russland-Rates eng an das transatlantische Bündnis, die Vollmitgliedschaft im G7-Gremium der führenden Industrienationen wird für 2006 in Aussicht gestellt. Die NATO beschließt außerdem im November die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen mit sieben osteuropäischen Staaten.