Loher und Schimmelpfennig

Theater 2008:

Als Stück des Jahres küren die Kritiker in einer Umfrage der Zeitschrift »Theater heute« Dea Lohers »Das letzte Feuer«, das von Andreas Kriegenburg am Hamburger Thalia Theater urinszeniert wird. Das Werk, das auch den Mülheimer Dramatikerpreis erhält, zeigt die Verzweiflung und die Schuldgefühle, die der Unfalltod eines achtjährigen Jungen in dessen Familie und engeren Nachbarschaft auslöst. Mit dem für sie typischen Gespür für feine Seelenregungen und einer nuancierten Sprache gestaltet Loher ein Kaleidoskop menschlichen Unglücks, das die Bühnenbildnerin Anna Ehrlich den Zuschauern auf einer sich wie ein Karussell ständig drehenden Bühne vor Augen stellt.

Zur Bühne des Jahres wählen die Kritiker das Deutsche Theater Berlin, das mit etlichen weiteren Auszeichnungen bedacht wird: Constanze Becker ist Schauspielerin des Jahres, Jens Harzer und Ulrich Mathes teilen sich den Titel des Schauspielers des Jahres. Alle drei sind in der Inszenierung des Jahres, Anton Tschechows »Onkel Wanja« in der Interpretation von Jürgen Gosch, am Deutschen Theater zu sehen. Auch der Nachwuchsschauspieler des Jahres, Niklas Kohrt, erhält die Auszeichnung für einen Auftritt auf dieser Bühne: Er spielt in Michael Thalheimers Inszenierung des Gerhart-Hauptmann-Dramas »Die Ratten« mit, für die Olaf Altmann das Bühnenbild des Jahres entworfen hat. – Nachwuchsschauspielerin des Jahres ist Anne Müller, die am Schauspiel Frankfurt in »Gertrud« von Armin Petras nach dem Roman von Einar Schleef zu sehen ist.

Für seinen »Onkel Wanja« erntet Gosch viel Lob, seinen Regiearbeiten mit Stücken Roland Schimmelpfennigs wissen viele Kritiker jedoch wenig abzugewinnen: Sie erscheinen ihnen unoriginell, zerdehnt und nur in Grenzen komisch. Gosch inszeniert in der Saison 2007/08 die Uraufführungen von »Das Reich der Tiere« am Deutschen Theater Berlin über eine jahrelang dieselbe Tierparabel spielende Theatertruppe, »Hier und jetzt« in der Schiffbauhalle Zürich – hier sitzt eine Hochzeitsgesellschaft beisammen – und das weinselige »Calypso« über einen Bootsausflug mit Ärzten am Deutschen Schauspielhaus Hamburg.

Typisch für Schimmelpfennig, der sich zum meistgespielten lebenden deutschen Dramatiker gemausert hat, sind Konstellationen, in denen Figuren, häufig unter Alkoholeinfluss, peinliche Geständnisse ablegen und in ihren Auseinandersetzungen ebenso peinlich aus der Rolle fallen. In »Idomeneus« lässt der Autor, ganz ungewohnt, acht Schauspieler chorisch und in Einzelszenen das Libretto der Mozart-Oper »Idomeneo« interpretieren. Dieter Dorn inszeniert die Uraufführung am Münchner Cuvilliés-Theater. Er überlässt den Schauspielern den gesamten Rokoko-Saal, während sich die Besucher auf einer steilen Tribüne auf der Bühne drängen.

Chroniknet