Starke Frauen auf der Bühne

Oper und Operette 2008:

Der 73-jährige englische Komponist Sir Harrison Birtwistle, der recht unangefochten als dritter »Orpheus britannicus« in eine Reihe mit Henry Purcell und Benjamin Britten gestellt wird, hat seine jüngste Oper zwar »The Minotaur« betitelt, doch auch hier steht eine Frau im Mittelpunkt, Ariadne, die Hüterin des Labyrinths. Über dem Libretto des Lyrikers David Harsent, in dem ein Kritiker ein »Textjuwel«, ein anderer eine »hilflose Mischung aus Monologen, Minimaldialogen und Metzeleien« sieht, entspinnt Birtwistle kaum entwirrbare polyphone Strukturen mit sich vielfach überlagernden Klängen. Uraufgeführt wird das Werk am 19. April im Londoner Royal Opera House, Covent Garden, das auch den Kompositionsauftrag erteilt hat.

Walter Braunfels vollendete seine »Scenen aus dem Leben der hl. Johanna, Oper nach den Prozessakten« 1943. Da der Komponist väterlicherseits jüdischer Herkunft war und deshalb schon zehn Jahre zuvor sein Amt als Direktor der Kölner Musikhochschule verloren hatte, bestand zu dieser Zeit keinerlei Aussicht auf eine Aufführung. Nach dem Krieg erschien der heroisch hochgestimmte Tonfall des Stücks möglicherweise nicht zeitgemäß. Es verschwand jedenfalls in den Archiven; erst in den letzten Jahren hat es in Stockholm und München konzertante Aufführungen gegeben. An der Deutschen Oper Berlin hat sich nun Christoph Schlingensief des Werkes angenommen. Der bekennende Katholik, der mit einer schweren Krankheit zu kämpfen hat, zeichnet die Lebensgeschichte der Jeanne d’Arc als Passionsspiel unter Einsatz multimedialer Mittel nach. Die tonal gebundene Musik wirkt sehr komplex.

Chroniknet