Streit um richtige Instrumente

Arbeit und Soziales 2009:

Im Angesicht der Krise sprechen sich einige führende Wirtschaftswissenschaftler und die Gewerkschaften für – und seien es vorübergehende – Reformen in der Arbeitsmarktpolitik aus. So befürwortet der Würzburger Ökonom Peter Bofinger eine Verlängerung der maximalen Bezugsdauer von Arbeitslosengeld I um ein halbes Jahr (bisher bis zu zwölf Monate, für Ältere bis zu 24 Monate). Diese Maßnahme, mit der nach Jobverlust ein Absturz in Hartz IV für viele vermieden werden könnte, sollte allerdings im Aufschwung wieder zurückgenommen werden, und zwar »auf ein niedrigeres Niveau als jetzt«. Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) sieht in einem leichteren Zugang zum Arbeitslosengeld I ein probates Mittel: Es müsse reichen, innerhalb der letzten drei Jahre (bislang: innerhalb der letzten zwei Jahre) zwölf Monate gearbeitet zu haben, um Ansprüche auf reguläres Arbeitslosengeld zu erwerben.

Umgekehrt warnt das BA-eigene Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) davor, die unter Kanzler Gerhard Schröder (SPD) durchgesetzten Arbeitsmarktreformen zurückzunehmen. Durch eine Verlängerung der Bezugsdauer von Arbeitslosengeld I werde sich die Arbeitslosigkeit nur verfestigen, und auch eine Wiedereinführung des Vorruhestandes sei in einer Gesellschaft, die sich aufgrund der demographischen Entwicklung auf eine längere Lebensarbeitszeit einstellen müsse, das falsche Signal.

Das IAB fordert hingegen Nachbesserungen bei der Förderung von Menschen mit geringer oder »entwerteter« Qualifikation durch umfassende Bildungsmaßnahmen und eine Existenzsicherung für im Niedriglohnbereich Tätige durch speziell auf sie zugeschnittene niedrigere Steuer- und Abgabensätze. Auch das Thema Mindestlohn bleibt für das IAB auf der Tagesordnung.

Mit der Frage, ob der Gesetzgeber die Hartz-IV-Regelsätze für Kinder oder auch für alleinstehende Langzeitarbeitslose oder deren erwachsene Partner juristisch einwandfrei festgelegt hat, beschäftigen sich die Gerichte. Der Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Hans-Jürgen Papier, kündigt in einer mündlichen Verhandlung über Klagen von Hartz-IV-Empfängern im Oktober ein Grundsatzurteil zur Frage des »Grundrechts auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums« und zum Verfahren seiner Festlegung an.

Chroniknet