Weltformel in der Oper

Oper und Operette 2009:

Vor drei Jahren fiel dem spanischen Komponisten Hèctor Parra, selbst Sohn eines Physikprofessors, der Bestseller »Verborgene Universen. Eine Reise in den extradimensionalen Raum« der US-amerikanischen Physikerin Lisa Randall in die Hände. Sie stellt darin ihr gemeinsam mit Raman Sundrum 1999 entwickeltes Modell für eine Weltformel vor, die alle physikalischen Phänomene zusammenfasst, auch die widersprüchlichen. Randall und Sundrum haben dafür eine weitere Dimension, die fünfte, eingeführt, und gerade diese Leichtigkeit, Raum und Zeit hinter sich zu lassen, faszinierte den Komponisten. Er schrieb Lisa Randall an und bat sie, ein Libretto zu verfassen. So entstand »Hypermusic, prologue«, das nun am 14. Juni im Pariser Centre Pompidou Premiere hat. Mit einer Oper – also dem mit mehreren Sinnen zugleich wahrnehmbaren Zusammenspiel von Musik, Text, Bild und Bühne – kann man auch Dinge verstehen, die sich eigentlich der menschlichen Wahrnehmung entziehen, nämlich die theoretische Physik. Von diesem Grundgedanken ließ sich Randall bei ihrem Text leiten, der vordergründig eine Liebesgeschichte ist, in Wahrheit aber eben jene Welterklärungsformel beschreibt.

Matthew Ritchie steuert ein durch vier überdimensionale Videoscreens beherrschtes Bühnenbild bei, das die Verformungen auf dem Weg in höhere Dimensionen visuell erahnbar werden lässt. Und Hèctor Parra sorgt mit Hilfe einer »wahnwitzigen, Grenzen sprengenden Partitur« (so die »Süddeutsche Zeitung«) und der raffinierten Live-Elektronik des von Pierre Boulez mitbegründeten Instituts für elektronische Musik IRCAM dafür, dass dem Publikum die Entdeckung der verborgenen höheren Dimensionen nahegebracht wird. Besonders beeindruckt die Sopranistin Charlotte Ellett, die im Verein mit dem Bariton James Bobby mit ihrer Stimme alle Möglichkeiten der menschlichen Lautäußerung auslotet, eben Klänge der fünften Dimension erzeugt. »Hypermusic, prologue« erklingt noch 2009 am Gran Teatre del Liceu in Barcelona und beim Musikfest »Rainy Days« in Luxemburg, im Januar 2010 ist es im New Yorker Guggenheim-Museum zu sehen und zu hören.

Chroniknet