Die Fleischnot ist das ganze Jahr über das Hauptthema im Deutschen Reich und in Österreich-Ungarn: Das Fleischangebot ist so knapp, dass trotz Schutzzollpolitik Einfuhren aus Nachbarländern und aus Übersee genehmigt werden. Die Fleischpreise steigen drastisch. Die deutsche Reichsregierung zeigt sich ratlos, was Erklärungen betrifft, denn kein europäisches Land hat seit 1900 den Viehbestand so vergrößert wie das Deutsche Reich. Die Zahl der Rinder nahm in diesem Jahrzehnt um 1,2 Mio. zu, die der Schweine um 5 Mio. Dagegen blieb der Viehbestand mit Ausnahme von Dänemark und den Niederlanden in den Nachbarländern gleich oder ging wegen Tierseuchen sogar zurück. Die deutschen Haushaltungen wurden mit Fleisch geradezu verwöhnt: Zwischen 1904, dem Jahr mit dem höchsten Viehbestand im Reich, und 1908 wurde wegen schlechter Getreideernten und des damit verbundenen Futtermangels viel Vieh an die Schlachthäuser abgestoßen. Die Folge waren fallende Fleischpreise und ein erhöhter Fleischkonsum. Seit Beginn des Jahres 1910 hat sich diese Tendenz umgekehrt.
Das zweite Generalthema des Jahres: Pro oder contra Alkohol. Diese Frage beschäftigt nicht nur die Anhänger lebensreformerischer Bewegungen und die Gastwirte, auch Politiker und gekrönte Häupter nehmen Stellung. Die starke Abstinenzbewegung sorgt sogar für Risse in der Sozialdemokratie. Auf schmalem Grat bewegt sich König Friedrich August III. von Sachsen: Bei einer Universitätsfeier in Leipzig nimmt er die Studenten vor dem Vorwurf des Trinkens in Schutz und erklärt, »daß ein Student, der nur Limonade trinkt, kein richtiger Student ist«.