In einem Beitrag über Möbel und Innenraumausstattungen in der »Frankfurter Zeitung« beurteilt der deutsche Architekt und Kunstschriftsteller Hermann Muthesius (* 1861) die gegenwärtige Stilfrage im Kunstgewerbe:
»Die Wogen unserer modernen Stilbewegung haben sich mehr und mehr geglättet. In demselben Maße, wie die Bewegung an Breite gewinnt, verliert sie die Neigung, das Heil der Zukunft im Individualismus zu suchen. Der Individualismus war nötig zu einer Zeit, als tatsächlich der Weg verloren war, als infolge der schimpflichen Stiljagd, der sich das Kunstgewerbe seit Jahrzehnten hingegeben hatte, niemand mehr ein und aus wußte ... Heute, nach fünfzehn Jahren heftigen Ringens und angestrengter Arbeit, können wir beinahe wieder von einer Tradition im wirklichen Sinne sprechen. Denn merkwürdigerweise hat sich aus den stark individualistischen ersten Erzeugnissen des neuen Kunstgewerbes eine Art allgemein anerkannter Formen, eine Konvention entwickelt, deren Geltungsbereich täglich erweitert wird, die von der gesamten jüngeren schaffenden Generation anerkannt und ausgeübt wird und die sich auch die Zuneigung des konsumierenden Publikums von Tag zu Tag in höherem Maße erringt ... Daß der tatsächliche Konsum heute noch ein anderes Bild ergibt, liegt eben daran, daß die ältere Generation noch die hauptsächlichsten Käufer und Besteller entsendet. Die ältere Generation, die sich im Besitze der äußeren Machtmittel befindet, ist aber nie der Repräsentant der werdenden Kräfte der Zeit. Diese sind in der Jugend enthalten, die noch nicht am Ruder ist.«
Muthesius ist Referent für die preußischen Kunstgewerbeschulen in Berlin; er ist u. a. Mitgründer des Deutschen Werkbundes.