Die durch den Krieg entstandenen Engpässe bei Nahrungsmitteln führen zu einer veränderten Einstellung in Ernährungsfragen. Die Not zwingt viele Menschen zu einer Beschränkung auf das Nötigste und zu Vorratswirtschaft.
Zahlreiche Artikel in den deutschen Tageszeitungen greifen diese Situation auf und geben praktische Hinweise für den »kriegsgerechten« Umgang mit Lebensmitteln. Dabei wird insbesondere auf die Bedeutung der Vorratswirtschaft hingewiesen. So fordern Ernährungswissenschaftler beispielsweise ein verstärktes Konservieren von Obst und Gemüse für die kritische Winterzeit. Besonders spürbar ist die Verknappung der Grundnahrungsmittel bei Getreideprodukten. Daher verordnet der deutsche Bundesrat am 28. Oktober die Beimischung von Roggen- und Kartoffelmehl bei der Gebäckherstellung. Mehr Aufsehen in der Öffentlichkeit erregt der administrative Versuch, die Ausgabe von Brot als Beilage zu Mahlzeiten in Berliner Restaurationsbetrieben einzuschränken. Während der Verein Berliner Gastwirte insgesamt entsprechende Maßnahmen - u. a. die gesonderte Bezahlung des traditionell kostenlos gereichten Brotes - begrüßt, wenden sich einzelne Betriebe gegen diese Eingriffe in »alte Sitten«. Auch das Publikum reagiert mit Verärgerung auf die sog. Brotkorbverordnung. Die Schätzungen über die Einsparungen im Brotverbrauch schwanken Ende 1914 zwischen 5 und 20%. Zu Beginn des folgenden Jahres wird dann das sog. K-Brot (Kriegsbrot oder Kartoffelbrot) eingeführt.
In den Arbeitervierteln der Großstädte, wo bereits in der Vorkriegszeit ein Teil der Bevölkerung unter dem Existenzminimum lebte, nimmt die Lebensmittelnot weiter zu. Die sozialdemokratische Zeitung »Vorwärts« berichtet am 8. September über die Versorgung mit Fleisch in Berliner Arbeitergebieten: »Nicht nur in den versteckten Winkeln der Hinterhäuser grinst das Gespenst des Elends. Auch auf der Straße, in voller Öffentlichkeit machen sich bereits deutliche Zeichen eines drückenden Notstands bemerkbar. So herrscht zur Zeit eine außerordentlich starke Nachfrage nach dem minderwertigen Fleisch, welches zu verhältnismäßig billigen Preisen an der Freibank des städtischen Schlachthofes verkauft wird ... Wir sahen um die Mitternachtsstunde etwa hundert Personen der Eröffnung der Freibank harren. Die Ärmsten opfern ihre Nachtruhe, um ein Stück der hier feilgebotenen Ware zu erlangen, ... fröstelnd in der herbstlich kühlen Nachtluft ... Beim Einkauf spielen Glück und Gunst eine Rolle. Eine Auswahl haben die Käufer nicht. Was der Verkäufer gibt, muß man nehmen. Und trotzdem der ungeheure Andrang. Man opfert die Nachtruhe, um für 45 bis 55 Pfennig ein Pfund Fleisch zu kaufen, welches nur unter besonderen Vorsichtsmaßregeln zur menschlichen Nahrung geeignet ist. Und doch sind die Leute, die sich nach der Freibank drängen, noch nicht auf der tiefsten Stufe des Elends angelangt. Bei Tausenden reicht es nicht einmal zu minderwertigem Fleisch. Sie müssen unter dem Druck der Not auf jeden Fleischgenuß verzichten.«
Die Lebensmittelpreise steigen unmittelbar nach Kriegsausbruch rapide an. Bereits im August setzt der Berliner Magistrat eine Kommission zur Überwachung der Lebensmittelpreise ein. Obwohl diese am 24. August einen leichten Rückgang der hohen Preise feststellt, verschlechtern die Preissteigerungen die Versorgung der Bevölkerung mit Lebensmitteln während der Kriegszeit zusätzlich. Zwar beschweren sich zahlreiche Einwohner der Stadt über die emporschnellenden Preise, eine vollständige amtliche Preiskontrolle ist jedoch aufgrund des regen Schwarzmarkthandels nicht möglich. Auch die Androhung hoher Strafen kann diesen nicht unterbinden.