Im dritten Jahr der Seeblockade durch die britische Flotte ist die Versorgungssituation des Deutschen Reiches, insbesondere in den Städten, durchweg als katastrophal zu bezeichnen. Auch die zunehmenden Schwierigkeiten, die landwirtschaftliche Produktion im Inland aufrechtzuerhalten - es mangelt extrem an Arbeitskräften -, tragen hierzu nicht unerheblich bei. Das einzige Lebensmittel, woran es zu Anfang des Jahres - nach offiziellen Angaben - noch nicht mangelt, sind Steckrüben. Alle anderen Nahrungsmittel sind im Deutschen Reich seit Langem über Lebensmittelkarten streng rationiert.
Brot und Mehl wurden bereits Anfang 1915 der staatlichen Zuteilung unterstellt. Schnell folgten die meisten anderen Esswaren. Die Grundnahrungsmittel Brot, Mehl, Kartoffeln, Milch, Eier stehen 1918 nicht mehr für alle Bevölkerungsteile in ausreichendem Maße zur Verfügung. Nährwertreiche Lebensmittel wie Milch und Fleisch werden vom eigens eingerichteten Kriegsernährungsamt mit Priorität den Frontsoldaten zugeführt. Selbst für Säuglinge und Kinder steht kaum mehr der Minimalbedarf an Milchprodukten bereit. Die Folge ist in allen Altersgruppen eine erhöhte Infektionsanfälligkeit.
Selbst sonst harmlosen Erkältungskrankheiten fallen in diesen Tagen viele allgemein geschwächte Menschen zum Opfer.
Gekoppelt an den wachsenden Mangel ist eine erhöhte Aktivität der Schwarzmarkthändler, Lebensmittelverfälscher und -diebe. Jeden Tag kann man in den Zeitungen neue Meldungen über Festnahmen und Verurteilungen dieser Kriegsgewinnler lesen. Da wird berichtet über den Diebstahl von 4 t Leberwurst, die Verwässerung von Milch und Bier und die Beschlagnahmung großer Fleischmengen unbekannter Herkunft, jedoch eindeutiger Bestimmung. Auch die höchsten Gefängnis- oder Geldstrafen können unter diesen extremen Mangelbedingungen kaum jemanden mehr davon abhalten, sich das Nötigste, wenn auch auf illegalem Wege, zu beschaffen.
Die staatlichen Stellen versuchen das Volk moralisch durch amtliche Rezepturen für »Kriegssuppen« u. ä. aufzurüsten. Solche offiziellen Rezeptvorschläge versuchen zu zeigen, dass aus dem Allzuwenigen mit etwas Fantasie und Geschick doch noch schmackhafte Speisen herzustellen seien. Die »Vereinigung für freiwillige Liebestätigkeit« unterstützt diese Presseveröffentlichungen durch praktische Kochkurse, die Hausfrauen zur sinnvollen Verwendung von Wildkräutern und -gemüsen anleiten sollen.