Friedensvertrag von Brest-Litowsk
Ein Abkommen im Ersten Weltkrieg zwischen Sowjetrussland und den Mittelmächten im März 1918. Nach langwierigen, ergebnislosen Verhandlungen und der militärischen Besetzung der ehemaligen russischen Westgebiete durch die Mittelmächte wird der Vertrag am 3. März 1918 in Brest-Litowsk unterzeichnet. Dadurch scheidet Sowjetrussland aus dem Krieg aus.
Die deutsche Oberste Heeresleitung (OHL) setzt ihre Vorstellungen hinsichtlich einer territorialen Neuordnung der ehemals russischen Gebiete beim Friedensschluss vor allem durch. Die Bolschewiki-Regierung unterzeichnet den Vertrag unter Protest angesichts der deutschen militärischen Drohung, aus Furcht, den Erfolg der Oktoberrevolution zu gefährden. In der Sowjetunion und später auch in der DDR wird dieser Vertrag als „Raubfrieden von Brest-Litowsk“ bezeichnet.
Die Ukraine, die zuvor mit Unterstützung der Mittelmächte ihre Unabhängigkeit von Russland erklärt, unterzeichnet bereits am 9. Februar 1918 in Brest-Litowsk einen Separatfrieden mit den Mittelmächten, bekannt als „Brotfrieden“. Damit endet der Erste Weltkrieg in Osteuropa. Am 21. März beginnt die deutsche Frühjahrsoffensive an der Westfront mit dem Unternehmen Michael.
Hintergrund:
Durch die Oktoberrevolution gelangen die Bolschewiki in Russland an die Macht. Nach drei wenig erfolgreichen Kriegsjahren ist die russische Bevölkerung kriegsmüde, und die Parole der Bolschewiki "Brot und Frieden" stößt auf offene Ohren. Die russischen Truppen sind in revolutionärer Stimmung und befinden sich im Auflösungsprozess. Wirtschaftlich liegt Russland weitgehend am Boden. Die Bolschewiki benötigen dringend eine Atempause, um ihre eigene Herrschaft zu stabilisieren und dem im ganzen Land aufkeimenden Protest gegen ihre Machtübernahme zu begegnen. Auf ihre Initiative hin kommt es zur Aushandlung eines Waffenstillstands an der gesamten - aus deutscher Sicht - Ostfront, der am 15. Dezember 1917 in Kraft tritt. Seit dem 9. Dezember 1917 besteht bereits ein Waffenstillstand zwischen den Mittelmächten und dem mit Russland verbündeten, aber militärisch weitgehend besiegten Rumänien. Danach werden Friedensverhandlungen zwischen den Mittelmächten und Sowjetrussland aufgenommen. Als Verhandlungsort einigt man sich auf die russische Festungsstadt Brest-Litowsk, die in der Nähe der Frontlinie im deutsch besetzten Gebiet liegt.
Ergebnis:
Sowjetrussland gibt Hoheitsrechte in Polen, Litauen und Kurland auf. Die Zukunft dieser Gebiete soll im Einvernehmen mit dem Deutschen Reich und den dortigen Völkern nach dem Selbstbestimmungsrecht geregelt werden. Estland, Livland sowie fast das gesamte Gebiet von Weißrussland (westlich des Dnepr) bleiben von deutschen Truppen besetzt. Die Ukraine und Finnland werden als unabhängige Staaten anerkannt. Armenien, Ardahan und Kars sowie das georgische Batumi müssen an das Osmanische Reich abgetreten werden. Die Mittelmächte verzichten auf Annexionen und Reparationen. Russland verliert durch diesen Friedensvertrag 26 % des damaligen europäischen Territoriums, 27 % des anbaufähigen Landes, 26 % des Eisenbahnnetzes, 33 % der Textil- und 73 % der Eisenindustrie sowie 73 % der Kohlegruben. Die Randvölker des ehemaligen russischen Kaiserreiches tauschen die russische Herrschaft gegen das Protektorat der Mittelmächte. Die abzutretenden Gebiete umfassen insgesamt 1,42 Millionen km², auf denen rund 60 Millionen Menschen leben, mehr als ein Drittel der Gesamtbevölkerung des einstigen Russischen Reiches.
Die Partei der Linken Sozialrevolutionäre tritt, da sie gegen den Friedensvertrag ist, aus dem Kabinett Lenins aus. Dies führt zu einem Machtzuwachs der Bolschewiki, aber auch zu Rücktritten bolschewistischer Führer.
Der Abschluss des Ergänzungsabkommens zum Friedensvertrag von Brest-Litowsk stellt zwar einen Höhepunkt der Machtexpansion Deutschlands im Osten dar, setzt aber den noch viel weitergehenden Annexionsplänen der OHL ein vorläufiges Ende. Sowjetrussland verzichtet darin auf Estland, Livland und Georgien – welches eine kurze Phase der Unabhängigkeit erlebt – und verpflichtet sich zur Entschädigungszahlung in Höhe von sechs Milliarden Goldmark für die durch die Bolschewiki zuvor entschädigungslos enteigneten deutschen Vermögenswerte. Die deutsche Seite gibt die Zusage, Weißrussland zu räumen und nicht zugunsten der Feinde der bolschewistischen Regierung zu intervenieren. Von russischer Seite wird sogar erwogen, deutsche Truppen gegen alliierte Interventionstruppen, die in Nordrussland gelandet sind, einzusetzen. Die Hoffnung der Mittelmächte, mit einem Frieden im Osten die Entscheidung im Westen herbeiführen zu können, erfüllt sich jedoch nicht. Zum einen bleiben größere Verbände in den besetzten Gebieten gebunden, zum anderen fällt das Potential des neuen Kriegsgegners USA immer mehr zugunsten der Entente ins Gewicht. Schließlich sind im März 1918, während der entscheidenden Westoffensive, eine Million deutscher Soldaten durch Ludendorffs Pläne im Osten gebunden. Auch wirtschaftlich ist die Vereinbarung für die Mittelmächte ein Fehlschlag, weil viel weniger Rohstoffe und Lebensmittel geliefert werden als erwartet.
Der weitere Verlauf des Ersten Weltkrieges gibt der bolschewistischen Führung recht. Die Hinhaltetaktik funktioniert aufgrund der desolaten Lage der Mittelmächte an der Westfront. Lenin vergleicht den Friedensvertrag von Brest-Litowsk mit dem Frieden von Tilsit 1807. Die Unterzeichnung des Waffenstillstandes von Compiègne zwischen dem Deutschen Reich und den Staaten der Entente am 11. November 1918 beinhaltet die Annullierung des Friedensvertrages von Brest-Litowsk. Die deutschen Truppen im Osten und Südosten sollen sich auf den Grenzverlauf von 1914 zurückziehen. Die Truppen jedoch, die sich auf russischem Territorium, besonders im Baltikum, befinden, sollen dort ausharren und auf Befehle der alliierten Sieger des Krieges warten. Damit wollen sich die Entente-Staaten eine Handhabe im Russischen Bürgerkrieg sichern. Die Ukraine wird bereits 1919 von der Roten Armee zurückerobert. Finnland wahrt seine Unabhängigkeit, unterliegt jedoch wiederholt sowjetischer Einmischung.