Die Produktwerbung im vierten Kriegsjahr ist den verschärften Mangelbedingungen angepasst. So treten Angebote für knappe und teure Genussmittel wie Alkohol und Schokolade fast ganz zurück hinter Werbeanzeigen für Stärkungsmittel, Prothesen, Brennmaterial und Werkzeug. Für Nahrungsmittel wird kaum geworben, da alle Lebensmittel ohnehin nur rationiert auf Lebensmittelkarten abgegeben werden. Auf dem Dienstleistungssektor werden häufig Leistungen angeboten, die bereits vorhandenes Altmaterial in eine neue Form bringen. So finden sich etwa viele Anzeigen von Schneidern, die die modische Umarbeitung alter Kleidungsstücke versprechen. Große Konjunktur haben auch Kunststopfereien, die zerschlissene Altkleider wieder »in modische Form« zu bringen versprechen.
Ein anderes Großgebiet der Kriegswerbung ist die Anpreisung von Ersatzstoffen für knappe Lebensmittel wie Tabak, Kaffee, Seifenpulver, Textilien, Kartoffeln. Ein Beispiel aus der Tageszeitung:
»Macht Eure Dauerwäsche selbst! Mit dem bewährten Dauerwäsche-Präparat OEKONOM kann jeder seine Kragen, Stulpen, Vorhemden sofort in abwaschbare Dauerwäsche verwandeln.«
Von erheblicher Bedeutung ist neben der Werbung für Ersatzstoffe aller Art auch der Geschäftshinweis auf Produkte, die den Verbrauch knapper Waren sparsamer machen. Dies gilt z. B. für Glühbirnen mit besonders niedrigem Stromverbrauch der Firma Osram oder für die als besonders sparsam angepriesenen Gasleuchten von Ehrich & Graetz, Berlin. Von Interesse sind auch Werbeanzeigen, die für kriegsspezifische Versicherungen werben, so etwa eine Versicherung gegen Körperverletzungen durch Fliegerangriffe, die die Frankfurter Allgemeine Versicherungsgesellschaft anbietet: »Fabrikanten und Geschäftsinhaber versichern ihre Angestellten besonders günstig.«
Bei den Werbekleinanzeigen ist die große Zahl derjenigen Anbieter auffällig, die Ölgemälde, Schmuck, antike Möbel, wertvolle Perserteppiche verkaufen wollen. Meistens werden mit solchen Angeboten Geschäfte angestrebt, in denen der Verkäufer nicht Geld, sondern Naturalien für seine Ware haben will: Eier und Fleisch gegen Brillantcolliers und Chippendale-Möbel.
In den Illustrierten erscheinen großformatige Anzeigen vor allem von solchen Betrieben, die der Kriegswirtschaft dienen: So wirbt die »Hannoversche Waggonfabrik« für ihre Flugzeugproduktion, die Aktiengesellschaft Magirus, Ulm, für militärische Aufklärungsfahrzeuge und -geräte, die Rheinische Automobil- und Motorenfabrik Mannheim für Flugzeugmotoren. Diese Werbung hat in erster Linie einen propagandistischen Zweck. Sie soll den Leser von der Leistungsfähigkeit der deutschen Kriegswirtschaft überzeugen und seinen Glauben an den Endsieg der Mittelmächte im Weltkrieg stärken.
Ebenfalls in großen Formaten erscheinen Werbeanzeigen für Alkoholika. Auch hier wird von Werbefachleuten Wert auf einen vaterländischen Bezug gelegt. So erscheint im Hintergrund der Werbung für den deutschen Cognac »Winkelhausen« überdimensional der Kopf der Göttin Germania. Das Konkurrenzprodukt »Asbach Uralt« wird, so suggeriert die Werbung, besonders gern auf deutschen Kriegsschiffen getrunken, wenn die Schlacht in vollem Gange ist.
Ein eigenes Kapitel ist die Werbung für Lebensratgeber aller Art. Eigenbrötler, die umfängliche Werke über die Rettung der Menschheit - erschienen im Selbstverlag - anpreisen, stehen hier neben großformatiger Werbung für die preisgünstige Neuausgabe der rührend-kitschigen Romane von Hedwig Courths-Mahler oder Emilie Marlitt. Alle Bücher dieser Art wollen die Käufer, wenn auch nur für einige Stunden, aus der Kriegsrealität entführen.