Der deutsche Architekt Ludwig Mies van der Rohe schreibt 1924 in seiner Zeitschrift »G«: »Baukunst ist raumgefaßter Zeitwille. Lebendig. Wechselnd. Neu. Gestaltet die Form aus dem Wesen der Aufgabe mit den Mitteln unserer Zeit!« Dass viele seiner Architekturkollegen ähnlicher Meinung sind, zeigen die Entwürfe aus diesem Jahr.
Der sowjetische Konstruktivist El Lissitzky veröffentlicht seine Projektstudien »Rednertribüne« und »Wolkenbügel«. Die allen Gesetzen der Schwerkraft widersprechende, optisch provozierende Schräglage der Objekte symbolisiert den unaufhaltsamen revolutionären Elan. Geradezu gespickt mit allen Anzeichen sozialer Dynamik ist der Entwurf der Gebrüder Alexandr, Leonid und Wiktor Wesnin für das Zeitungsgebäude der »Leningradskaja Prawda«. Ein vitrinenartiges Hochhaus aus Stahl und Glas mit sichtbaren Lifts und Leuchtanzeigen.
In den Niederlanden entsteht das wohl markanteste neoplastizistische Einzelbauwerk - »Haus Schröder« von Gerrit Rietveld, einem Architekten aus der »De Stijl«-Gruppe um Theo van Doesburg. Wie schon 1917 seinen berühmten Sessel, so zerlegt Rietveld diesmal ein ganzes Haus in seine geometrischen Grundformen. Aus der scheinbar willkürlichen Kombination der Einzelelemente erwächst eine subtile Harmonie.
Jacobus Johannes Pieter Oud beschränkt sich bei seinen »Reihenhäusern« in Hoek van Holland auf schlichte Häuserzeilen mit abgerundeten Eckbauten und vorbildlichen kleinen Hof- und Vorgartenanlagen. Hinzu kommen weiße Fassaden, flache Dächer und horizontal liegende Fenster.
Im Deutschen Reich ist »Gut Garkau« die eindrucksvolle Verkörperung der von Hugo Häring proklamierten »Leistungsform«. Häring schreibt nämlich der Natur einen eigenen »Gestaltungswillen« zu, der durch den inspirierten Architekten zur »gebauten Form« wird. So ermittelt er für Garkau als günstigste Aufstellung für 42 Rinder einen birnenförmigen Stall, der große Beachtung findet.