Wirtschaftlicher Aufschwung im Gefolge der Neuregelung der Reparationsfrage auch in der deutschen Automobilindustrie: Im Vorjahr bauten 63 Pkw-Werke 108 Modelle; 1924 sind es schon 86 Werke, die 146 Modelle herstellen. Dank hoher Bankzinsen und niedriger Löhne fließt Kapital aus dem Ausland ins Deutsche Reich; die Industrie investiert diese Gelder in die dringend notwendige Modernisierung und Rationalisierung ihrer Produktionsanlagen.
Opel führt als erster deutscher Pkw-Hersteller das US-amerikanische Fließband-System nach dem Vorbild der Ford-Werke ein: Im Mai 1924 ist Serienbeginn des 4/12 PS Opel, der ein sensationeller Verkaufserfolg wird. Beim Publikum heißt der grüne Zweisitzer bald »Laubfrosch«, nicht zuletzt wegen seiner Fahreigenschaften, die als »sprunghaft« gelten. Der kleine Wagen ist ein ziemlich genauer Nachbau des seit 1922 gebauten und in Frankreich populären 5 CV Citroën. Im Herbst liefert Opel weitere 4-PS-Modelle, nämlich einen offenen Dreisitzer (4/14 PS), eine Dreisitzer-Limousine (4/14 PS) und einen Lieferwagen (4/14 PS). Auf dem europäischen Markt entwickeln sich die in Großserie produzierten Kleinwagen zu Verkaufsschlagern. Selbst mittelständische Schichten können, wenn überhaupt, nur an den Kauf eines kleinen Wagens denken. Der schon recht billige »Laubfrosch« (4500 Mark) bleibt für die Masse der Bevölkerung ein Traum. Spitzenreiter der Kleinwagenwelle ist der seit 1922 produzierte Austin Seven, genannt Austin Baby.
Nach dem großen NAG-Erfolg in Monza wird der neue Typ D 4 (10/45 PS), der einen moderneren Hängeventil-Motor hat, einer der beliebtesten Sportwagen für Privatfahrer. Die NAG-Wagen mit hochgezüchteten Motoren sind besonders zuverlässig.
Simson-Ingenieur Paul Henze bringt im Sommer 1924 den Simson-Supra heraus. Im Gegensatz zur bisherigen Produktion des Suhler Werks zeigt diese Neukonstruktion keinen Gebrauchs-, sondern einen ausgeprägten Sportcharakter (Zwei-Liter-Vierzylindermotor mit 16 Ventilen). Der Simson-Supra - als Typ S8/50 PS und SO 8/40PS (ab 1925) gebaut - genügt höchsten Ansprüchen sportlicher und verwöhnter Fahrer. Rein äußerlich, aber auch in den konstruktiven Details wird er von Autoliebhabern hoch geschätzt.
Technisch bleibt der europäische Pkw US-amerikanischen Konstruktionsmerkmalen verhaftet: Vornliegende Motoren, Hinterradantrieb, Starrachsen. Immerhin setzen sich Linkslenkung, einheitliche Pedalordnung und mechanisch bediente Vierradbremse durch. Der im Herbst erscheinende Horch 10/50 PS, ein sechssitziger Tourenwagen, besitzt Vierradbremsen. Bedeutende Neuentwicklungen, so z. B. die von Edmund Rumpier konstruierte Pendelachse, finden noch keine breite Anwendung. Auch aerodynamische Erkenntnisse des Konstrukteurs Paul Jarray werden kaum aufgegriffen. Gefragt ist bei den Autokäufern nicht mehr der offene Tourenwagen der Vorkriegszeit, sondern die Limousine mit geschlossenem, kastenförmigen Aufbau.
Die neue Interessengemeinschaft zwischen der Daimler-Motoren-Gesellschaft und Benz & Cie. (Zusammenschluss 1926) bietet 1924 die ersten Diesel-Lkw an.