Während die dominierende Architektur im Deutschen Reich weiter vom Neoklassizismus beherrscht wird, der granitene Monumente deutscher Größe schaffen will, entsteht in den USA eine dem Rationalismus verpflichtete, überwiegend ökonomischen Maßstäben unterliegende Großstadtarchitektur.
Neben der in ihrer Pracht an Versailles erinnernden Neuen Reichskanzlei ( 9. 1. ), die von 4500 Arbeitern in Zwölfstundenschichten erbaut wurde, sollen zahlreiche andere Großprojekte der künftigen Welthauptstadt Berlin ein angemessenes Äußeres geben. Die nach dem Vorbild des Pariser Pantheon von Albert Speer konzipierte Große Halle des Volkes soll mit einem Durchmesser von 250 m rund 180 000 Menschen Platz bieten. Dies entspräche dem 17fachen Volumen des Petersdoms in Rom. Der Adler auf ihrer 290 m hohen Kuppel soll nicht auf einem Hakenkreuz, sondern einer Weltkugel sitzen.
Am 19. April wird das erste Teilstück der Berliner Ost-West-Achse dem Verkehr übergeben. Hier soll ein monumentaler Triumphbogen entstehen. Über weitere Großbauten für Staat, Wehrmacht und Partei geben Modelle von Architekten wie Speer, Wilhelm Kreis, Fritz Keibel und Ernst Sagebiel Auskunft. Neben den »Führerstädten« Berlin, München, Nürnberg, Hamburg und Linz sollen 50 weitere Innenstädte großzügig umgestaltet werden.
Gegenüber Militärs erklärt Führer und Reichskanzler Adolf Hitler am 10. Februar 1939, nicht »aus Großmannssucht« entstünden diese Bauten, sondern »aus der kältesten Überlegung, daß man nur durch solche gewaltigen Werke einem Volk das Selbstbewußtsein geben kann ... daß es ebenbürtig ist jedem anderen Volk der Welt, auch Amerika«. Der Kriegsausbruch bedeutet allerdings für viele nicht kriegswichtige Projekte das Aus.
Andere Vorgaben gelten beim Wohnungsbau: Die hier angestrebte »Baugesinnung« lässt sich in Anlehnung an bürgerliche Bauten des 18. und 19. Jahrhunderts mit Begriffen wie Behaglichkeit und Heimatbindung umschreiben.
Im übrigen Europa dominiert vielfach ein architektonischer Rationalismus wie bei Vilhelm Lauritzens Kopenhagener Flughafen Kastrup. Wegweisend bei der Erprobung neuer Werkstoffe für Hochbauten sind die Zementhalle von Robert Maillart und Hans Leuzinger auf der Schweizerischen Landesausstellung ( 6. 5. ) mit ihrem selbsttragenden Schalendach und der am Sloane Square in London erstellte Peter Jones Departement Store, ein Werk der Architekten Arthur Hamilton Moberly und J. Alan Slater mit Charles Herbert Reilly als Berater. Reilly gehört neben Albert Richardson und Howard Robertson zu einer Gruppe experimentierfreudiger Architekten, die sich von der traditionalistischen Pomp-Architektur absetzen. Von Robertson stammt auch der britische Pavillon auf der Weltausstellung in New York ( 30. 4. ). Brasiliens Halle mit ihrem leicht beschwingten Grundriss und den klaren, ausgewogenen Konturen wurde von Lucio Costa und Oscar Niemeyer gestaltet, die beide von dem Schweizer Architekten Le Corbusier (eigentlich Charles-Édouard Jeanneret-Gris) beeinflusst sind; Finnlands Pavillon schuf Alvar Aalto unter Verwendung von Holz als prägendem Material für den Innenraum.
Aalto steht in der Tradition des 72-jährigen US-Amerikaners Frank Lloyd Wright und seines organischen Bauens. Wright vollendet 1939 nach dreijähriger Bauzeit das Kaufmann-Haus (»Fallingwater«) bei Bear Run in Pennsylvania, eine Synthese aus naturnaher Architektur und rationalem Denken.
Die US-Hauptstadt Washington lädt vom 24. bis 30. September Baumeister aus aller Welt zum 15. Internationalen Architekten-Kongress ein. Neben einheimischen Architekten haben Europäer wie die Deutschen Walter Gropius und Ludwig Mies van der Rohe (seit 1937 bzw. 1938 in den USA) Einfluss auf die Entwicklung der US-Architektur. Eines der größten Bauvorhaben nähert sich in New York seiner Vollendung: Das 1931 begonnene Rockefeller Center gilt als wegweisend für ein an streng wirtschaftlichen Zwecken ausgerichtetes Bauen.