Bereits zu Beginn des Jahres 1940 macht sich die Einführung der Reichskleiderkarten ( 20. 11. 1939) mit ihrem Punktesystem für den Bezug von Textilien bemerkbar. Die meisten deutschen Modejournale präsentieren Vorschläge zur modischen Umarbeitung alter Kleider oder zum gekonnten Kombinieren verschiedener, vorhandener Stoffe. »In der Verbindung von zweierlei Material«, heißt es, »kommt es auf den Kontrast an - Hell-dunkel-Verbindungen oder Einfarbigkeit mit starker Musterung -, der eine wechselseitige Steigerung der beiden Stoffe bewirkt. Für den Schnitt ist es wichtig, durch klaren Einsatz des Ergänzungsmaterials einen neuen Modellwert zu schaffen. Denn jede Änderung soll den Zweck erfüllen, mit der Ausgabe von zehn Punkten den Wert von 20 Punkten zu erzielen. Ein altes Kostüm erhält mit einem neuen Vorderteil nicht nur eine moderne Verschluß- und Kragenform, sondern zugleich auch die doppelte Lebensdauer.« Der Reichsinnungsverband des Damenschneiderhandwerks stellt ein »vorbildliches Sparkleid aus Kunstseide mit verschiedenen Westen vor, die das Modell für jedes Alter kleidsam machen«. Hemdblusenkleider und glockig geschnittene Röcke werden favorisiert, weil sie kleidsam und sparsam sind. Die Schultern sind mit Polstern unterlegt, die Taille wird mit einem breiten Miedergürtel aus Gummi betont, und die Saumlänge ist gerade kniebedeckend. Das Kostüm ist - dank seines »ernsthaften«, uniformmäßigen Charakters - das ideale Kleidungsstück. Elegante und - für alle, die es sich »dennoch« leisten können - stoffaufwendige Kleider weisen Drapierungen, Plissees, Raffungen und Überröcke auf. Insgesamt jedoch rät die deutsche Modeindustrie zu einem preisgünstigeren Aufputz, wie Zierknöpfen, Soutachen oder Quasten auch anstelle der früher häufigen Pelzgarnierungen. In vielen Journalen werden Schnittmuster angeboten, denn »es gehört schon ein wenig Überlegung und Geschick zum Zuschneiden dazu, um den jetzt so wertvollen Stoff richtig auszunutzen und möglichst sparsam mit den Punkten der Kleiderkarte umzugehen«. Exklusiv sind nach wie vor die Vogue-Schnitte, angeboten in der Zeitschrift »Die Dame«, die in den Schneiderateliers des Deutschen Verlages für das Deutsche Reich und das neutrale Europa in Übereinstimmung mit dem US-amerikanischen Hause Vogue entworfen und hergestellt werden. Das kostensparende Selbstschneidern macht nicht mehr bei der Kleidung halt, sondern geht auf fast alle Accessoires über: Handtaschen werden aus Stoffresten oder Lederabfällen in Beutel- und Trommelformen geschneidert. Die Hüte haben Toque- oder Turbanform und ein um Nacken und Hals gekonnt drapiertes Tuch oder einen Schleier. Pelz ist kein Thema mehr, es gibt höchstens Pelzjacken und nur noch wenig Pelzarten, wie Kalb und Luchs, die für den deutschen Markt frei gegeben sind.
Im Frühjahr 1940 stellt die Pariser Haute Couture mit einem letzten großen Einsatz ihre Kollektionen vor, und Journalisten kommen selbst aus den USA (in ungeheizte Hotelzimmer), um ihre Solidarität zu bekunden. Elsa Schiaparelli zeigt Jacken mit übergroßen Taschen und Kleider mit witzigen Schürzen, um den Frauen zu ermöglichen, das Wichtigste stets bei sich zu tragen. Sie bringt Kleidung für Haus und Garten, um auch ihre hochgestellte Klientel bei der Arbeit attraktiv aussehen zu lassen. Sie lanciert das »transformable Kleid«, das der Dame ermöglicht, die Metro zur Party oder zum Dinner im Maxim zu benutzen. Die Dame braucht nur an einem Band zu ziehen, um das kniekurze Kleid in ein knöchellanges zu verwandeln, einen Haken zu lösen, um eine drapierte Tunika darüberfallen zu lassen und die Draperie um den Halsausschnitt zu einem tiefen Dekolleté hinunterzuziehen, und schon ist das Grande-Soiree-Kleid fertig. Schiaparelli stellt als Erste auch bügelfreie Kleider in der Haute Couture vor. Ihre Farben sind zeitgemäß gewählt: Maginot-Blau, Legionärs-Rot, Schützengraben-Braun und Flugzeug-Grau. Im Juli verlässt Schiaparelli Paris, nachdem im Juni die deutschen Truppen einmarschiert sind. Coco (eigentl. Gabrielle) Chanel hat bereits ihren großen SaIon aufgegeben, ebenso Madelaine Vionnet und Edward Molyneux, der wieder nach London geht und das britische Modeschaffen unterstützt. Aus finanziellen Gründen versuchen sie alle nur ihre Parfümproduktion aufrechtzuerhalten. Die Pariser Haute Couture ist nunmehr nur noch durch Lucien Lelong, Couturier und Vorsitzender des Chambre Syndicale de la Couture Parisienne, Robert Piquet, Jacques Fath und wenige andere vertreten. Ihr Kundenkreis begrenzt sich auf die politisch privilegierte deutsche Führungsspitze sowie auf einige »Schwarzmarktkapitalisten«. Die französische Modezeitschrift »Vogue« stellt ihr Erscheinen ein. In den deutschen Modezeitschriften rückt die Wiener Mode stark in den Mittelpunkt, wo ein Haus der Mode gegründet wird. Die reichsdeutsche Textilindustrie verspricht sich von der Vergrößerung des Reiches einen enormen Zuwachs ihrer Exporte: Bemberg-Seide, Girmes-Webpelze, Benger Jersey-Mode, Plauener Spitze und Herrenstoffe aus dem Sudetengau gehen hinaus ins Reich oder das neutrale Ausland. Die »Vereinigte Textil- und Bekleidungszeitschrift« erscheint deshalb in vier Sprachen. Die Herrenmode findet kaum mehr Beachtung, nur für den Export sind noch Kunstseidenhemden, Pyjamas, Unterwäsche und Strümpfe im Angebot. Die wenigen Herrenschneider, die nicht an die Front müssen, stellen ihre Produktion auf Uniformschneiderei um.