Die wachsende Furcht vor Missstimmungen unter der Bevölkerung bestimmt den arbeits- und sozialpolitischen Kurs der deutschen Reichsregierung im Jahr 1940.
Der Rückgang des Arbeitskräftepotenzials gleich zu Kriegsbeginn um 10% verschärft die schon 1938 angespannte Lage auf dem Arbeitsmarkt in zunehmendem Maße. Durch die Einberufung von 5,7 Millionen Wehrpflichtigen in diesem Jahr (1939: 1,5 Mio.) hat sich der Anteil der deutschen männlichen Arbeitskräfte im Reich auf 56,7% reduziert. Die in dieser Situation notwendig gewordenen staatlichen Eingriffe in den Arbeitsmarkt bringen massive Einschränkungen der üblichen, arbeitsrechtlichen Bestimmungen mit sich. Eine schon im Februar 1939 eingeführte Dienstpflichtverordnung ermöglicht es den Arbeitsämtern, jeden noch nicht eingezogenen Facharbeiter zwangsweise in einen kriegswirtschaftlich wichtigen Betrieb zu versetzen. Diese Dienstverpflichtungen, die einem militärischen Gestellungsbefehl gleichkommen, ermöglichen so die reichsweite, beliebige Umverteilung der Arbeitskräfte zwecks Sicherung der kriegswichtigen Produktion.
Die konsequente Umverteilung der Arbeiter in Rüstungsbetriebe und Landwirtschaft kann jedoch die entstandene Lücke auf dem Arbeitsmarkt nicht ausgleichen. Aus diesem Grund angestellte Überlegungen, die weibliche Bevölkerung generell für den Arbeitseinsatz zu verpflichten, finden aber innerhalb der nationalsozialistischen Führung keine Mehrheit. Ein entsprechender Gesetzentwurf vom 27. April , dieses 3,5 Millionen starke Arbeitskräftepotenzial zu rekrutieren, wird von Generalfeldmarschall Hermann Göring, dem Vorsitzenden des Ministerrates für die Reichsverteidigung, aus ideologischen Gründen abgelehnt.
Nicht nur generelle Befürchtungen, diese Maßnahme zerstöre das von der NS-Propaganda geförderte Idealbild der Hausfrau und Mutter, bringen diesen Entwurf zu Fall. Er scheitert auch an der noch anstehenden Frage einer generellen Entlohnung der Frauenarbeit in den sonst üblicherweise Männern vorbehaltenen Berufen. So geht die Zahl der berufstätigen Frauen Ende Mai 1940 im Vergleich zum Vorjahr aufgrund niedriger Verdienste (80% des männlichen Lohns bei gleicher Tätigkeit) und der am 2. Oktober 1939 erhöhten Ausgleichszahlungen für Verheiratete von zum Kriegsdienst einberufenen Soldaten sogar noch um weitere 200 000 zurück.
Im Bereich der Landwirtschaft versucht die Reichsregierung, durch den Einsatz sog. Fremdarbeiter, hauptsächlich polnischer Zivilarbeiter und Kriegsgefangener, die Produktion zu sichern. Ihre vorrangige Beschäftigung auf dem Land soll dort den durch Einberufungen besonders betroffenen Kleinbetrieben helfen. Vorbehalte, die etwa 300 000 zwangsweise verpflichteten Arbeiter aus den Ostgebieten auch in der Industrie einzusetzen, resultieren aus Befürchtungen, diese seien zu gering qualifiziert und könnten das soziale Klima in Großbetrieben zersetzen. Nach dem Westfeldzug (Mai/Juni) bedient sich die deutsche Industrie dann auch vorzugsweise französischer, belgischer und niederländischer Kriegsgefangener für den Einsatz in der Rüstungsproduktion. Auch die deutsche Lohnpolitik ist, soweit sie deutsche Arbeitskräfte betrifft, 1940 noch von der Furcht der Regierung begleitet, Missfallen in breiten Bevölkerungsschichten zu erregen. Die im Rahmen der Kriegswirtschaftsverordnung verfügten Restriktionen werden aus diesem Grunde vielfach zurückgenommen.