»Herzlichen Glückwunsch, liebe Freunde, zur eigenen Wohnung! Sie umfaßt nur Küche, Bad, ein kleines Schlafkabinett und einen großen Wohnraum, aber sie ist licht, neu, und Ihr könnt sie Euch ganz nach Eurem eigenen Geschmack einrichten.« Die kleine Neubauwohnung, zu der die Illustrierte »Frau und Film« in einem Bericht über Einrichtungsmöglichkeiten auf engstem Raum gratuliert, ist der Traum vieler Menschen. Der Wunsch nach der neuen Wohnung mit modernen Möbeln ist die private Variante des propagierten gesellschaftlichen Neubeginns und Fortschritts der frühen 50er Jahre. Eine Flut von Einrichtungsratgebern und Prospekten verkündet, wie zeitgemäßes Wohnen nach den Vorstellungen der Innenarchitekten und Möbelindustrie aussieht. Organische, oft asymmetrische Formen von Möbeln und Einrichtungsgegenständen und abstrakte, geometrische Muster auf Teppichen, Tapeten und Vorhängen prägen diese neue Wohnkultur. Schalenförmige Cocktailsessel und dreibeinige Nierentische, resopalbeschichtete Blumenhocker und dreiarmige bewegliche Tütenlampen, trapezförmige Schränke und die Konzerttruhe mit abgeschrägten Beinen, handliche Teewagen und ein freistehendes Regal als Raumteiler - so sieht das von Einrichtungsratgebern und Illustrierten als modern propagierte bundesdeutsche Wohnzimmer aus.
Die neuen Formen entsprechen einerseits den Vorstellungen vom Bruch mit der Vergangenheit. Andererseits sind die leichten Möbel auf den typischen dünnen, schrägstehenden Beinen in den beengten Verhältnissen des sozialen Wohnungsbaus zugleich zweckmäßige Notwendigkeit. Sie sollen raumsparend, leicht verstellbar und zusammenlegbar, dabei aber zugleich nützlich und praktisch sein. Da die meist kleinen Neubauwohnungen nicht vollgestellt erscheinen sollen, wirken die modernen Möbel oft schwerelos grazil. Als zeitgemäß gilt bewegliches Wohnen mit Möbeln, die nach Möglichkeit innerhalb der Wohnung verschiebbar und beim Umzug problemlos zerlegbar sein sollen.
Auch gilt die beziehungslose Trennung der Räume nach unterschiedlichen Wohnbereichen als überholt. Stattdessen wird empfohlen, bei Bedarf eine Ess- oder Arbeitsecke durch eine Anrichte oder ein rankendes Gewächs abzutrennen.
Repräsentativ für den vorherrschenden Massengeschmack ist das zeittypische Möbeldesign indes noch keinesfalls: Umfragen zufolge bevorzugt die Mehrheit unverändert das klobige »Gelsenkirchener Barock« mit wuchtigen Schränken und ausladenden Polstergarnituren in der guten Stube.