Die Situation im Bildungswesen ist auch 1959 durch überfüllte Klassen, großen Lehrermangel und wachsende Studentenzahlen gekennzeichnet.
Besonders schwierig ist die Lage an den Schulen. Für die Bundesrepublik wird ein Fehlbedarf von 22 000 Klassenräumen errechnet, so dass Klassenstärken von rund 40 Schülern die Regel sind. Die Misere wird dadurch verschärft, dass rund 10 000 Lehrerstellen unbesetzt sind. Mit diesem Problem befasst sich am 9. März in Hamburg ein Kongress von Bildungsexperten, der zu dem Ergebnis kommt, dass der Lehrermangel nur überwunden werden könne, wenn der Lehrerstand im sozialen Gefüge aufgewertet werde. Eine spürbare Anhebung der Gehälter sei erforderlich, um diesen Beruf attraktiver zu machen. Die Landesvereinigung der Arbeitgeber von Nordrhein-Westfalen schlägt dagegen vor, die vollakademische Ausbildung der Volksschullehrer abzuschaffen, um den Kreis der Lehramtsbewerber zu erweitern. Andererseits wird von den Arbeitgebern der Frauenanteil im Lehrerberuf kritisiert, der bereits bei 40% liegt. Der Anteil der Frauen an den Hamburger Lehramtsstudenten liegt bei 75%.
Die Leidtragenden der personellen Unterversorgung der Schulen sind in erster Linie die Schüler selbst.
Arbeitgeber klagen über mangelnde Deutschkenntnisse, und nach einer Erhebung der »Allgemeinen deutschen Lehrer-Korrespondenz« müssen 35,4% der Jungen und 23,3% der Mädchen an den Gymnasien mindestens einmal im Verlauf ihrer Schulzeit ein Schuljahr wiederholen.
Zur Behebung dieser Missstände legt der Deutsche Ausschuss für Erziehungs- und Bildungswesen einen Rahmenplan für eine Schulreform vor und fordert,
Die geplante Schulreform soll vor allem sicherstellen, dass die Schüler intensiver auf ihre Berufsausbildung vorbereitet werden. Die Hochschulen klagen über ungenügend ausgebildeten Nachwuchs, und Studenten kritisieren die mangelnde Vorbereitung an den Gymnasien auf das wissenschaftliche Arbeiten an der Universität. Beschwerden über den unzureichenden Wissensstand, den Lehrlinge in ihrer Schulzeit erworben haben, kommen auch von den Arbeitgebern, zumal offenbar viele Auszubildende auch in ihrer Lehrzeit den nötigen Eifer vermissen lassen. Nach einer Mitteilung der Industrie- und Handelskammer Stuttgart schließen immer mehr Auszubildende ihre Lehre mit der Note »knapp ausreichend« ab. Angesichts von 143 637 offenen Lehrstellen im Bundesgebiet ist den meisten Lehrlingen bewusst, dass ihnen auch mit mäßigen Noten ein Arbeitsplatz sicher ist.
Die Zahl der Studenten steigt im Vergleich zum Vorjahr um 10% auf 190 719 . Besonders groß ist der Andrang zum Jurastudium, so dass sowohl von den Studentenverbänden als auch von der Rektorenkonferenz und dem Deutschen Anwaltverein eine Zulassungsbeschränkung (Numerus clausus) als unausweichlich betrachtet wird.