Die bedrohlichen Folgen der fortschreitenden Motorisierung rücken 1971 immer mehr ins Bewusstsein der Öffentlichkeit. Kommunalpolitiker wie der Münchener Oberbürgermeister Hans-Jochen Vogel warnen eindringlich vor der Kraftfahrzeugflut: »Wir sind drauf und dran, unsere Städte und damit uns selbst zu zerstören.«
Mit 1,97 Mio. Neuzulassungen im Jahr 1971 erhöht sich der Gesamtbestand an Personenkraftwagen in der Bundesrepublik Deutschland auf 13,9 Mio. Statistisch besitzen damit fast zwei Drittel der insgesamt 22,85 Mio. bundesdeutschen Privathaushalte einen Pkw Schattenseite des zunehmenden Individualverkehrs sind vor allem die steigenden Unfallziffern. Eine Umfrage des Allensbacher Instituts für Demoskopie, die im »Spiegel« vom 27. Dezember veröffentlicht wird, ergibt, dass jeder zweite Autofahrer schon mindestens einmal in einen Unfall verwickelt war. Bei 369 104 Unfällen mit Personenschäden werden 1971 mehr als 17 000 Menschen im Straßenverkehr getötet.
Schnelle Hilfe für Unfallopfer und Maßnahmen zur Unfallverhütung gehören zu den wichtigsten Zielen der Verkehrspolitik 1971.
Schwer verletzte auf den Autobahnen werden häufig zu spät medizinisch versorgt. Das nordrhein-westfälische Innenministerium startet deshalb den Versuch, Ärzte mit Polizeihubschraubern zu Unfallopfern auf den Autobahnen zu fliegen. Sie sollen vor allem in den Hauptreisezeiten, in denen sich die meisten Unfälle ereignen, zum Einsatz kommen ( 7.5. ).
Mit gesetzgeberischen Maßnahmen will Bundesverkehrsminister Georg Leber die Zahl der Unfälle drastisch reduzieren: So soll die Geschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften ab 1. Juni 1972 auf 100 km/h begrenzt werden. Zu schnelles Fahren auf Landstraßen zählt zu den häufigsten Ursachen für tödliche Verkehrsunfälle. Einen Beitrag zu mehr Sicherheit auf den bundesdeutschen Straßen soll auch die Senkung der Promillegrenze von 1.3. auf 0,8 leisten ( 7.9. ).
Das gleiche Ziel verfolgt die neue Straßenverkehrsordnung, die am 1. März in Kraft tritt. In die allgemeinen Regeln wird u.a. der Appell an die Autofahrer, defensiv zu fahren, neu aufgenommen. Im Zuge der Angleichung an die Regeln anderer europäischer Länder wird auch eine Reihe neuer Verkehrszeichen eingeführt ( 1.3. ).
Vor dem Hintergrund der steigenden Unfallzahlen und der voranschreitenden Umweltzerstörung durch die Kraftfahrzeugflut wird nach Alternativen zum Auto gesucht. Die bundesdeutsche Industrie stellt 1971 die abgasfreien und geräuscharmen Magnetbahnen vor. Sie erreichen eine Geschwindigkeit von 400 km/h und sollen im Verkehr zwischen den Großstädten eingesetzt werden ( 6.5. ). Der städtische Verkehr soll durch abgasfreie Elektromobile entlastet werden ( 18.5. ). Die bereits bestehende Alternative zum Auto, die Bahn, kann sich nur schwer gegenüber dem Individualverkehr behaupten. 73% aller deutschen Autofahrer, die 1971 eine Urlaubsreise machen, fahren mit dem eigenen Wagen in die Ferien. Dagegen lassen sich nur 8% der Autofahrer von Stress und Hektik einer Autofahrt abschrecken und benutzen die Bahn. Für Geschäftsreisen nutzen nur 17% aller Autofahrer die Bahn. Mit dem Intercity-System, das 1971 eingeführt wird, versucht die Bahn, ihre Attraktivität zu steigern. Seit dem 26. September verbinden Erste-Klasse-Züge 33 Großstädte im Zweistundentakt ( 26.9. ).
Im Luftverkehr sorgt ein Preiskampf zwischen der Deutschen Lufthansa und den Charterfluggesellschaften für Bewegung bei den Tarifen. Um die Billigpreise der Chartergesellschaften auf der Nordatlantikroute unterbieten zu können, weigert sich die Lufthansa im August, das Preiskartell der Linienfluggesellschaften (IATA= International Air Transport Association) zu verlängern. Der Preis für einen Flug Frankfurt New York und zurück fällt daraufhin von 1800 DM auf 700 DM.