Die mangelhafte Qualität von Genuss und Nahrungsmitteln sorgt 1985 für Besorgnis: Frostschutzmittel im Wein, »Schleudereier« in Frischeinudeln und unzulässige Beimengungen im Fleisch verunsichern die Verbraucher.
Das Wort des Jahres, ermittelt von der Gesellschaft für deutsche Sprache, heißt »Glykol«: Am 9. Juli teilt das Bundesgesundheitsministerium in Bonn mit, dass Weinen aus Österreich in großer Menge Diäthylenglykol zugesetzt worden sei und dadurch minderwertige Lagen zu Auslese- oder gar Eisweinen »verbessert« worden wären. Es zeigt sich, dass auch deutsche Winzer mit Zusatzstoffen hantiert haben.
Glykol ist nicht die einzige unerlaubte Substanz, die 1985 im Wein gefunden wird: In »Asti spumante« aus Italien wird Monobromessigsäure nachgewiesen, in österreichischen Weinen Natriumazid.
Neben den Weinen sorgen Nudeln für negative Schlagzeilen, nachdem der niederländische Exporteur Johannes van Loon aus Arnheim erklärt, allein von Januar 1983 bis Mai 1984 rd. 40 Mio. sog. Schleudereier bzw. Bruteier – zerkleinerte Ausschussware mit abgestorbenen Embryos und mit Bazillen verseucht – vorwiegend an Teigwarenhersteller in Baden-Württemberg geliefert zu haben.
Ein namhafter Hersteller von Eiernudeln gerät in den Verdacht, seine Teigwaren nicht mit den sog. Frischeiern, sondern mit den »Schleudereiern« hergestellt zu haben – was sich verheerend auf den Absatz auswirkt.
Auch Fleischliebhaber bleiben 1985 von Schreckensmeldungen nicht verschont: In Niedersachsen wird ungenießbares Fleisch von falsch geimpften Schweinen entdeckt sowie etwa 11 000 Kälber, die mit verbotenen Hormonen gemästet worden waren. In Schleswig-Holstein wird der Verkauf von Wildenten untersagt, die an der Unterelbe geschossen worden sind. Der Grund: Zu viel Pflanzengifte und Chlorrückstände. In Rheinland-Pfalz entdecken Lebensmittelkontrolleure in 53 Metzgereien Wurst- und Fleischwaren, die mit dem krebserregenden Formaldehyd verseucht sind.
Vor allem die Nachrichten über verseuchtes Fleisch betreffen viele Bundesbürger: Pro Kopf werden 1985 in der Bundesrepublik 90,3 kg Fleisch verzehrt, fast doppelt so viel wie im Jahr 1955 (46,2 kg). Mehr als die Hälfte davon, nämlich 51,2 kg, ist Schweinefleisch. Der – im Vergleich zu anderen Nahrungsmitteln wie Kartoffeln (72,6 kg) und Gemüse (72,5 kg) – hohe Fleischkonsum gilt als Zeichen für falsche Ernährung.
Die Macht der Verbraucher, die an ihren gewohnten Geschmacksrichtungen festhalten, zeigt sich am Beispiel von »Coca-Cola«: Am 8. Mai wird in den Vereinigten Staaten das Erfrischungsgetränk mit einer neuen Rezeptur verkauft. Die veränderte Rezeptur löst jedoch einen Sturm der Entrüstung unter den Verbrauchern aus, und der Hersteller reagiert schnell: Künftig gibt es zwei »Cokes«, einmal »Classic« mit dem alten Rezept und daneben die neue süßere »Coca-Cola«, ferner weiterhin die ungezuckerte »Coca-Cola-light«.
Während die neue »Coca-Cola«-Formel als einer der größten Marketingflops aller Zeiten gilt, zeigt – gleichfalls in den USA – der Schauspieler Paul Newman, dass es auch anders geht: Er vertreibt die von ihm kreierten Spaghetti- und Salatsaucen unter der Bezeichnung »Newmans' Own« und macht damit Millionengewinne.