Mit Urlaubsreisen, die man nicht kaufen kann, umwerben immer mehr Arbeitgeber ihre Mitarbeiter. Die Exklusiv-Reise als Leistungsanreiz zählt zu den Trends 1985.
Weil Geld- und Sachprämien als Ansporn zur Arbeit kaum noch gefragt sind, haben Veranstalter von sog. Incentive-Reisen (engl., Ansporn, Anreiz) für Arbeitnehmer Hochkonjunktur. Vor allem Firmen mit einem großen Stamm von Verkäufern machen sich diese Chance zur Mitarbeiter-Motivierung zunutze. Besonders erfolgreiche Reisemanager denken sich Reisen aus, die man wegen ihrer Einmaligkeit nicht kaufen kann: Fahrt nach Lissabon und Mitarbeit bei einer Kirchenrestaurierung, ein Trip nach San Francisco mit der Teilnahme an einem Töpferkurs, bei dem die Gebühren durch den Verkauf der Tonteller verdient werden müssen, Elefantenwaschen auf Sri Lanka, Schatzsuche auf Barbados oder aber Festbälle mit Prominenten und gepflegte Diners in alten Schlössern. Die Reiselust der Bundesbürger ist 1985 trotz nicht allzu rosiger Wirtschaftsaussichten allgemein ungebrochen. Die Deutschen geben rd. 38 Mrd. DM im Ausland aus, 3 Mrd. mehr als im Jahr zuvor. Tourismus-Experten führen dies u.a. auf einen Nachholeffekt bei denen zurück, die zuletzt auf einen Urlaub verzichtet haben.
Der Drang in die Ferne kommt vor allem dem Ausland zugute: Nur 36% aller Urlaubsreisen gehen ins Inland, während noch 1969 60,3% der Bundesbürger Ziele in der Bundesrepublik ansteuerten. Lediglich 1,6% der westdeutschen Urlauber fahren 1985 in die DDR oder nach Berlin (Ost). 66% der Urlaubsreisen dauern bis zu zwei Wochen, weitere 24% bis zu drei Wochen. Beliebtestes Verkehrsmittel bleibt der Pkw, mit dem 67% aller Urlauber unterwegs sind, weit vor dem Flugzeug (14%), der Bahn (11%) und dem Reisebus (8%).
Die meisten Inlandsreisen gehen nach Bayern (3,5 Mio.) und Schleswig-Holstein (2 Mio.), während im Ausland die bewährten Ziele dominieren: Italien liegt mit 3,9 Mio. deutschen Urlaubsreisenden vor Spanien (3,5 Mio.) und Österreich (3,2 Mio). Italien zählt mit Jugoslawien zu den Ländern, in denen der Umtauschkurs besonders günstig ist. Am teuersten ist ein Trip in die USA, wo aufgrund des starken US-Dollar die DM nur 66 Pfennig wert ist. Eine Nacht in einem Luxushotel in New York kostet umgerechnet 659 DM, ein entsprechendes Zimmer in Madrid nur 144 DM. Wenig verlockend ist daher für viele das Angebot des US-amerikanischen Billig-Fliegers »People Express«, der im September für nur 99 US-Dollar (rd. 275 DM) von Brüssel nach New York fliegt. Die Lufthansa verlangt dafür von Frankfurt aus 1993 DM.
Zwar scheint in Italien anders als im verregneten Mitteleuropa in diesem Sommer wieder die Sonne, doch die Urlaubsqualität lässt nach: Als Folge des sorglosen Umgangs mit Chemikalien und Industriemüll wird die Qualität des Wassers an den italienischen Küsten südlich von Livorno, aber auch am »Teutonengrill« bei Rimini und auf Sizilien immer schlechter.
Bei den außereuropäischen Urlaubszielen sind Kenia, Sri Lanka und die Karibik sowie Thailand besonders begehrt. Allerdings ist der Fernflug-Tourismus in diesem Jahr rückläufig. Daran ändert auch die vorsichtige Öffnung Chinas für den Massentourismus nichts, das schon weit mehr als 1 Mio. Urlauber zählen kann.
Wachsender Beliebtheit erfreuen sich Ferienhäuser, Bungalows und Apartments (16% der Urlaube), die vor allem für den Familienurlaub nicht nur eine vergleichsweise größere Gestaltungsfreiheit, sondern auch Ersparnismöglichkeiten bieten.
Die Urlaubsreise nimmt statistischen Erhebungen zufolge immer noch den Hauptanteil an den Freizeitausgaben ein: 28,1% des für die Freizeit verfügbaren Budgets entfallen in Arbeitnehmerhaushalten auf den Jahresurlaub, nächstgrößere Posten sind das Kraftfahrzeug (16,2%) und elektronische Medien (12,44%).