Trotz steigender Arbeitslosigkeit und Wirtschaftsflaute zieht es die Deutschen immer noch ins Ausland. Nach Angaben der Bundesbank geben die deutschen Touristen 1996 im Ausland 74,6 Mrd. DM aus, rd. 2 Mrd. mehr als 1995. Nach den US-Amerikanern sind damit die Deutschen weltweit die größten Devisenbringer. Ganz so schnell wie früher wächst die Reiselust nicht mehr: 1996 steigen die Reiseausgaben gegenüber 1995 um 2,6% und damit deutlich langsamer als bisher. Nur noch 52% (1995: 55%) der Deutschen verreisen im Urlaub, so das BAT-Freizeitforschungsinstitut. Ein Opfer des härter werdenden Konkurrenzkampfes unter den Veranstaltern ist Hetzel-Reisen in Stuttgart, 1994/95 in der Rangliste der deutschen Reiseunternehmen auf Platz 18. Am 31. Juli meldet Hetzel Konkurs an.
Auf die sinkenden Zuwachsraten reagieren die Veranstalter mit Sonderprospekten und Last-Minute-Preisen. Verstärkt wird auch auf die Familie als Zielgruppe bei der Tourismuswerbung gesetzt. Nur gut ein Viertel der Bundesbürger verbringen ihren Urlaub im eigenen Land. Die deutsche Tourismus-Bilanz schließt 1996 einmal mehr mit einem Defizit: 21 Mrd. DM geben ausländische Besucher 1996 in Deutschland aus, an der Spitze Österreicher, Niederländer und Franzosen.
Jede vierte Urlaubsmark lassen die Bundesbürger - statistisch gesehen - in Österreich, Italien und Spanien. Immer mehr Reiselustige entdecken aber auch Russland, Polen und Ungarn. Bei den Fernreisen sind die USA (1,8 Mio. Urlauber), nicht zuletzt wegen des lange Zeit günstigen DM-Dollar-Wechselkurses, sowie Kanada (4420 000 ) und die Dominikanische Republik (4400 000 ) besonders beliebt. Dieses mittelamerikanische Land hat sich vor allem durch die vielen »All-inclusive«-Angebote einen Namen gemacht. Flug, Zimmer, Essen, Trinken und Freizeitangebote sind im Reisepreis inbegriffen.
Nur wenig abschrecken lassen sich die Urlauber von der Häufung von schweren Flugzeugunglücken, z. B. dem Absturz eines Charterflugzeugs vor der Küste der Dominikanischen Republik am 6. Februar .
Die Sehnsucht nach sonniger Ferne wird 1996 auch durch das anhaltend schlechte Wetter begünstigt: So fegt in der zweiten Juliwoche ein Sturm mit Windstärke sieben über die Ostsee, in den Alpen sinkt die Schneefallgrenze auf 2000 m. Bei den Ferien an der See bleibt der Bikini im Koffer.
Ein Renner unter den Urlaubsgebieten ist auch 1996 wieder Mallorca. Im Mai wird durch eine Studie der Universität in Palma de Mallorca bekannt, dass dort rd. 30 000 Deutsche sogar ihren Wohnsitz genommen haben.
Für gut betuchte Urlauber bietet sich eine Fahrt auf Deutschlands gerade fertiggewordenem größten Kreuzfahrer an: Die »Aida« der Deutschen Seereederei (DSR) Rostock hat bei 593 Kabinen, von denen fast jede fünfte für Singles reserviert ist, eine Kapazität von 975 Passagieren. Das Clubschiff soll im Sommer im Mittelmeer und im Winter durch die Karibik kreuzen. Dass ein Schiffsurlaub aber auch seine abenteuerlichen Seiten haben kann, zeigen zwei Unfälle im Sommer 1996: Am 5. August läuft das der britischen Cunard Linie gehörende Kreuzfahrtschiff »Gripsholm« (früher »Sagafjord«) im Öresund vor der schwedischen Küste auf eine Sandbank. Vor dem Freischleppen werden die 601 Passagiere aus Sicherheitsgründen mit Motorbooten evakuiert. Noch ärger trifft es am 29. August den Luxusliner »Hanseatic«: Das Schiff läuft beim Durchqueren der Nordwestpassage zwischen Pazifik und Atlantik in der Nähe der kanadischen König-Wilhelm-Insel auf Grund. Die 149 Passagiere werden am 5. September mit dem Flugzeug nach Cambridge Bay gebracht. Mehr als zwei Drittel der Gäste haben immer noch nicht genug von der Seefahrt in eisigen Gewässer: Sie setzen die Reise auf einem russischen Eisbrecher fort.