Dass Kunst mit politischem Anspruch nicht steril sein muss, zeigt sich im Berichtsjahr an etlichen Beispielen. So findet der Albaner Adrian Paci, dem der Kunstverein Hannover 2008 eine Ausstellung widmet, in seinen Videos eindringliche Metaphern für die Situation der Migranten. Bei »After the wall there are some walls« besteht die »Leinwand« aus 70 weißen Plastikkanistern, gefüllt mit Wasser aus der Straße von Otranto, einer Meerenge zwischen Albanien und Italien, über die Flüchtlinge bevorzugt übersetzen. Das darauf projizierte Video zeigt die Entnahme des Wassers mitsamt einer Kontrolle durch die italienische Wasserschutzpolizei.
Das Künstlerduo Allora & Calzadilla – die US-Amerikanerin Jennifer Allora und der gebürtige Kubaner Guillermo Calzadilla, die auch privat ein Paar sind – stellt im Kunstverein München drei tönende Installationen aus, die eindringlich vor Augen und Ohren führen, wie Macht und Gewalt sich der Musik bedienen: »Clamor«, »Wake up« und »Sediments Sentiments (Figures of Speech)« sind amorphe Strukturen aus Styropor, aus denen Musikinstrumente hervorragen. In diesen Gebilden sitzen Sänger oder Instrumentalisten, die live Marschmusik schmettern und Propagandareden trällern oder jodeln. Das Ganze verschmilzt zu einem unglaublichen Krach, der, so wünschen es zumindest die Künstler, zum Lachen reizt: »Wir mögen es, wenn unsere Arbeiten den Körper vor Lachen schier bersten lassen.«
Der französische Fotokünstler JR versteht sich als Mahner für den Frieden in Krisenregionen. Sein Projekt »Frauen sind Helden« realisiert er 2008 in Morro de Providencia, der wohl gewalttätigsten Favela der brasilianischen Metropole Rio de Janeiro. Täglich sterben dort Männer in brutalen Auseinandersetzungen zwischen rivalisierenden Drogenbanden oder in Schießereien mit der Polizei. Doch für JR sind die wahren Opfer die Ehefrauen, Mütter, Töchter und Schwestern der Toten, die deren Verlust ertragen müssen, obwohl sie selbst Gewalt ablehnen. Für »Frauen sind Helden« hat er riesige Fotoporträts betroffener Frauen auf die Fassaden der Favela projiziert.