Nachdem im November 1989 die Mauer gefallen war, dauerte es nicht lange, bis das kommunistische System in Ostdeutschland und in ganz Osteuropa kollabierte. 20 Jahre danach sind die historischen Ereignisse und ihre Folgen für individuelle Lebenswege Gegenstand zahlreicher Bücher. Da gibt es präzise historische Analysen wie »Die Mauer. 13. August 1961 bis 9. November 1989« des englischen Historikers Frederick Taylor oder Erinnerungsbücher wie den von Julia Franck herausgegebenen Band »Grenzübergänge«, in dem 24 Autoren aus Ost und West sich vor Augen führen, wie es ihnen mit Teilung und Vereinigung erging. Susanne Schädlich, Tochter des Schriftstellers Hans Joachim Schädlich, die 1977 zwölfjährig mit der Familie in den Westen übersiedelte, schildert in »Immer wieder Dezember« ihre Erfahrung der Fremdheit als Kind eines Dissidenten in der DDR und als an ostdeutschen Drill gewöhntes Kind in der Bundesrepublik. Die 1971 geborene Claudia Rusch erzählt in »Aufbau Ost. Unterwegs zwischen Zinnowitz und Zwickau« wahre Geschichten aus dem Ostdeutschland von heute und macht im Großen wie im Kleinen auf die Unterschiede aufmerksam, die bis heute zwischen Ost und West bestehen.
Auch die Literatur im eigentlichen Sinne widmet sich dem Gegenüber von Ost und West. So steckt die bislang als Übersetzerin aus dem Polnischen hervorgetretene Esther Kinsky (*1956, aufgewachsen in Bonn) in ihrem Debütroman »Sommerfrische« eine offenbar aus dem Westen kommende Fremde in eine schäbige ungarische Feriensiedlung voller skurriler und doch lebenstüchtiger Gestalten und gewinnt dieser Konstellation mit einer sinnlichen Sprache viel Faszinierendes ab. Angelika Klüssendorf (*1958 in Ahrensburg, aufgewachsen in Leipzig) orientiert sich in ihrem Erzählungsband »Amateure« hinsichtlich der literarischen Technik und der lakonischen Sprache an US-amerikanischen Vorbildern und gestaltet Paar-Konstellationen im »Ost-West-Gehege« (Jürgen Verdofsky). Julia Schoch (*1974 in Bad Saarow, aufgewachsen in Mecklenburg) lässt uns in ihrem schmalen Roman »Mit der Geschwindigkeit des Sommers« am Leben einer jungen Frau in einer abgelegenen mecklenburgischen Garnisonsstadt teilhaben, die den Zusammenbruch der DDR gerade nicht als Wende erlebt: Während ihre Freundinnen in der neu gewonnenen Freiheit einen persönlichen Aufbruch wagen, bleibt sie in einer Hausfrauenehe stecken und knüpft eine alte Liebschaft wieder an. Ihr Aufbruch besteht schließlich darin, ohne Ankündigung nach New York zu fahren und sich dort umzubringen. Erzählt wird ihr ereignisloses Leben in elegischem Ton aus der Perspektive der mittlerweile im Westen lebenden Schwester.