An der Anzahl der Besucher kann es nicht liegen, wenn in den Feuilletons wieder einmal von den »Museen in der Krise« die Rede ist. 2007 (letztverfügbarer Stand) wurden in Deutschland 113,5 Mio. Museums- und Ausstellungstickets verkauft, noch einmal 3,8 Mio. mehr als im Vorjahr. Hierzulande besuchen fast so viele Menschen Museen und Ausstellungen wie ins Kino gehen. Einige Kritiker sehen darin eine gigantische Aufblähung und sprechen davon, selbst zentrale Institutionen seien nur noch »Apparate« und keine Stätten der lebendigen Begegnung zwischen Menschen und Kunst mehr. Andere rühmen gerade die Offenheit der Museen, deren Besuch mittlerweile kein Distinktionsmerkmal einer elitären Schicht mehr sei. Die Massen hätten die Ausstellungsräume für sich erobert und stellten nun ihre verständlichen Fragen an die Kunstwerke: nach der Lebenswirklichkeit hinter dem Abgebildeten, den Absichten der Künstler und ihrer Auftraggeber, der Gefühlslage ihrer Schöpfer.
Dass den Kunstliebhabern häufig die kunsthistorischen Kenntnisse fehlten, sei nicht den Museen, sondern den Schulen anzulasten: Anders als etwa in Frankreich oder Italien beschränke sich der Kunstunterricht in Deutschland in der Regel auf den kreativen Umgang mit Pinsel, Farbe und Zeichenkarton und vernachlässige die Vermittlung historischen Wissens. Doch es sei Aufgabe der Museen, in diese Lücke zu stoßen: Einsilbige Beschriftungen, die lediglich den Namen des Künstlers, den Titel des Werks und die Jahreszahl seiner Entstehung nennen, seien vielleicht ein Grund dafür, dass die ständigen Sammlungen der Häuser so wenig Besucher verzeichneten. Zu großen Sonderausstellungen würden mehr Informationen geliefert.
Auf ihre ständigen Sammlungen müssen sich die Museen angesichts von Etatkürzungen zwangsläufig stärker besinnen, zumal sich Blockbuster-Ausstellungen schon seit längerem wegen der hohen Versicherungssummen kaum noch realisieren lassen. Einen radikalen Ansatz wählt das nach einjähriger Renovierung wiedereröffnete Wilhelm-Hack-Museum in Ludwigshafen: »alles!« heißt die erste Ausstellung, und gezeigt werden buchstäblich alle 9236 inventarisierten Werke aus dem Depot des Hauses, und zwar in Petersburger Hängung: Dicht gedrängt sind die Bilder bis unter die Decke platziert. Es ergeben sich interessante Einblicke in eine Sammlung, die – wie die vieler anderer regional verorteter Museen in Deutschland – durch Zufälle und private Schenkungen zusammenkam. So findet sich in Ludwigshafen immer wieder der Regionalmaler Karl Dillinger zwischen illustren Namen wie Emil Nolde, Ernst Ludwig Kirchner oder Robert Delauney. Bei der nächsten Ausstellung in Ludwighafen schlägt das Pendel in die andere Richtung aus: »Simply the best« heißt die Schau, die 25 Meisterwerke aus dem Museumsbestand präsentiert.