Der Verkehr in den Großstädten wird zunehmend dichter und hektischer. Eine düstere Zukunft scheint dabei einer traditionellen Beförderungseinrichtung bevorzustehen: der Pferdedroschke. Die Zeitschrift »Die Woche« widmet ihr 1904 einen schon beinahe nostalgischen Artikel: »Immer enger schließt sich um sie der Todesring von Dampfkraft und Elektrizität, von Fahrrad und Automobil, und vielleicht kommt wirklich in nicht weiter Ferne der Tag, wo der letzte Hufschlag in den Straßen verhallt und unsere Städte pferdelos sein werden...«
Doch noch ist es nicht so weit. Insgesamt gibt es in Berlin 1904 laut Statistik immer noch mehr Pferde als Hunde: Nämlich 45 721 Pferde und 37 208 Hunde. Die Pferde »arbeiten« größtenteils als Zugtiere und bewegen die unterschiedlichsten Fuhrwerke und Karren, bis hin zur Feuerspritze. Für die Personenbeförderung sind 1904 in Berlin 7933 Droschken unterwegs.
Dieser »Individualverkehr« kann sich jedoch nicht messen mit den Leistungen des modernen öffentlichen Nahverkehrs. So befördert allein die Große Berliner Straßenbahn 1904 fast 333 Mio. und die Stadt- und Ringbahn 111 Mio. Fahrgäste. Je größer die Städte werden und je weiter der Weg zur Arbeit wird, desto wichtiger werden moderne Verkehrssysteme wie Straßenbahnen und U-Bahnen.
Das wichtigste Verkehrsmittel für den Transport von Waren und Menschen über größere Entfernungen bleibt die Eisenbahn. Die Geschwindigkeit der Züge erhöht sich. Bei Schnellfahrversuchen der Preußischen Staatsbahn mit Dampflokomotiven wird 1904 eine Höchstgeschwindigkeit von 137 km/h erreicht. Die geltenden gesetzlichen Bestimmungen für den Bau und Betrieb von Eisenbahnen hinkten bereits seit Längerem hinter den technischen Möglichkeiten hinterher. Am 3. November 1904 stimmt der Bundesrat einer neuen, reichseinheitlichen »Eisenbahn-Bau- und Betriebsordnung« zu, die am 1. Mai 1905 in Kraft tritt. Die Verordnung sieht u. a. vor, dass die zulässige Höchstgeschwindigkeit auf Hauptbahnstrecken von bisher 80 km/h auf 100 km/h angehoben wird. Die Bestimmungen über die Ausrüstungen der Züge mit durchgehenden Bremsen werden entsprechend verschärft. Nicht nur die technischen Vorschriften ändern sich, auch mancher Eisenbahnbeamte erhält eine neue Anrede: Der »diensttuende Stationsbeamte« wird künftig zu einem »Fahrdienstleiter«.
Mit großem technischem Aufwand werden weltweit Bahnstrecken in schwierigem Gelände gebaut. Neue Linien wie die Tauernbahn und die Stubaitalbahn erschließen die Alpen. An der norwegischen Westküste wird am 1. November der Bahnverkehr zwischen den Städten Egersund und Flekkefjord aufgenommen. Die 73 km lange Strecke führt durch eine zerklüftete Gebirgslandschaft, sodass der Bau von zahlreichen Brücken und 45 Tunneln notwendig wurde.
Ebenso wie bei der Eisenbahn ist auch im Schiffsverkehr Geschwindigkeit Trumpf. Einen Rekord für eine Ozeanüberquerung von Europa nach Amerika erzielt der Dampfer »Kaiser Wilhelm II.«. Er benötigt für eine Überfahrt im Juni 1904 fünf Tage, elf Stunden und 58 Minuten.
Auch wenn die Reise nicht so schnell geht, müssen die Passagiere kaum etwas entbehren. Immer größerer Luxus bestimmt das Reisen in den gehobenen Preisklassen. So werden die von der Hapag in Auftrag gegebenen und jetzt in Bau befindlichen Riesendampfer »Amerika« und »Kaiserin Auguste Viktoria« zur Bequemlichkeit der Passagiere mit Fahrstühlen ausgerüstet, die die acht bis neun Decks miteinander verbinden. Bereits jetzt müssen die Reisenden auf Hapag-Dampfern während der Überfahrt nicht auf die neuesten Nachrichten verzichten. Aus Telegrammen, die mit Landstationen und anderen Passagierdampfern gewechselt werden, entsteht eine vierseitige Bordzeitung in deutscher und englischer Sprache.