1

Sonntag, 1.6.1919

In Mainz und Wiesbaden wird die Rheinische Republik im Verband des Deutschen Reichs proklamiert. Obwohl Frankreich das Gelingen dieses Separatistenputschs begünstigt, scheitert er an der Gegnerschaft der Bevölkerung.


In Speyer proklamieren Separatisten die Pfälzische Republik. Auch hier ist der Putsch wie bei anderen separatistischen Aktionen wegen der ablehnenden Haltung der Bevölkerung zum Scheitern verurteilt.


Spanien, Madrid: Die Parlamentswahlen in Spanien enden mit dem Sieg der konservativen Regierungspartei des Ministerpräsidenten Antonio Maura y Montomer; nur in Madrid erzielen die Republikaner Erfolge.


2

Montag, 2.6.1919

Durch eine Verordnung des ungarischen Revolutionären Regierenden Rats in Budapest wird die allgemeine Wehrpflicht für jeden männlichen Proletarier von 17 bis 45 Jahren eingeführt.


Der bayerische Ministerpräsident Johannes Hoffmann (MSPD) führt im Landtag in München das Entstehen der Münchner Räterepublik auf die "Besonderheit Münchens als Fremden- und Kunststadt" und auf den "weichen Charakter der Bevölkerung zurück, der allen Beeinflussungen nur zu leicht zugänglich ist". Um dem Bolschewismus entgegenzuwirken, kündigt Hoffmann den Ausbau der Selbstverwaltung an.


In Berlin erscheint ein "Dadaistisches Manifest".


Raoul Hausmann gründet die Zeitschrift "Der Dada".


3

Dienstag, 3.6.1919

Eugen Leviné, eine der führenden Persönlichkeiten der Münchner Räterepublik, wird vom Standgericht in München wegen Hochverrats zum Tod verurteilt.


Ungarn: Die rumänische Armee wird zu einem weiteren Rückzug gezwungen, erweitert jedoch ihre Verteidigungslinie entlang der Theiß und verstärkt ihre Position durch die 8. Division, die seit dem 22. Mai von der Bukowina aus vorrückt. Ungarn kontrolliert das Gebiet damals von seinen alten Grenzen aus und hat die Kontrolle über die Industriegebiete um Miskolc, Salgótarján, Banská Štiavnica (Selmecbánya) und Košice (Kassa) wiedererlangt.


Lettland, Cēsis: Die Baltische Landeswehr erreicht Cēsis im Norden Lettlands.


4

Mittwoch, 4.6.1919

Vereinigtes Königreich von Großbritannien und Irland, London: Das britische Unterhaus in London nimmt mit 187 zu 34 Stimmen einen Antrag an, der die sofortige Einsetzung eines parlamentarischen Ausschusses zur Ausarbeitung eines Gesetzentwurfs für einen großbritischen Bundesstaat fordert.


5

Donnerstag, 5.6.1919

In einer gemeinsamen Note an die Alliierten lehnen die skandinavischen Staaten die Beteiligung an der geplanten Verschärfung der Wirtschaftsblockade des Deutschen Reichs ab.


Der Landtag von Sachsen-Weimar in Weimar billigt den Staatsvertrag über den Zusammenschluß der thüringischen Staaten zum Freistaat Thüringen.


Deutsch-baltische Einheiten erobern Wenden. Am 10. Juni schließen estnische und deutsch-baltische Truppen einen Waffenstillstand. Während der Verhandlungen stoßen lettische Truppen zu den Esten, was ein Grund dafür ist, dass die Gespräche am 19. Juni scheitern.


6

Freitag, 6.6.1919

In Berlin beginnt ein 24stündiger Generalstreik aus Protest gegen die Hinrichtung des Münchner Räteführers Eugen Leviné.


Durch Erlass der deutschen Reichsregierung unter Ministerpräsident Philipp Scheidemann (MSPD) wird der am 19. April über den Freistaat Braunschweig verhängte Belagerungszustand aufgehoben.


Lettland: Der Nordlettenfeldzug der Landeswehr beginnt unter dem Kommando von Major Alfred Fletcher.


7

Samstag, 7.6.1919

Die deutschösterreichische Konstituierende Nationalversammlung in Wien protestiert gegen die Friedensbedingungen der Alliierten. Nationalversammlungs-Präsident Karl Seitz (SPÖ) erklärt, "dass dieses Urteil ein Todesurteil ist. Ein solches Urteil ist undurchführbar".


Der Staatenausschuß in Weimar, die Vertretung der deutschen Länder in der Weimarer Nationalversammlung, nimmt den Gesetzentwurf über die Errichtung eines Staatsgerichtshofs an.


Nach der tschechischen Niederlage von Kaschau (Ko im Konflikt mit Ungarn richtet der französische Ministerpräsident Georges Benjamin Clemenceau als Präsident der Pariser Friedenskonferenz ein Telegramm an den ungarischen Revolutionären Regierenden Rat in Budapest. Er stellt Ungarn darin eine Einladung nach Paris in Aussicht und fordert die Einstellung der Kampfhandlungen.


Beim Massaker von Chaibalikend in Bergkarabach sterben mehrere hundert Armenier.


In Malta entsteht ein Aufstand gegen die britische Kolonialmacht, bei dem vier Malteser ums Leben kommen.


8

Sonntag, 8.6.1919

Mit 1:0 gewinnt in Berlin die Mannschaft Norddeutschlands den Länderpokal des Deutschen Fußball-Bundes für Amateure gegen Süddeutschland.


9

Montag, 9.6.1919

Die Sowjettruppen erobern Riga zurück. Die Reste der Armeen des antibolschewistischen Admirals Alexandr W. Koltschak ziehen sich fluchtartig nach Jekaterinburg (Swerdlowsk) zurück. Am 21. Juni beginnt die Großoffensive der Sowjets zur Zerschlagung der Koltschak-Armeen.


In Frankreich weiten sich Streiks der Metallarbeiter, Straßenbahn- und Metroangestellten, Elektrizitätsarbeiter u.a. aus. Ursachen dieser Streikbewegung sind der Widerstand der Arbeitgeber gegen die Einführung des achtstündigen Arbeitstags und die ständige Verteuerung von Lebensmitteln. Forderungen der Streikenden sind die sofortige Demobilmachung und die Beschleunigung der Friedensverhandlungen.


10

Dienstag, 10.6.1919

In Weimar beginnt der 26. Parteitag der MSPD. Auf der bis zum 14. Juni dauernden Veranstaltung wird vor allem über die Zukunft des Rätesystem im Deutschen Reich und die Reichsverfassung beraten.


11

Mittwoch, 11.6.1919

Die britische Presse teilt mit, dass John Maynard Keynes als Delegationsführer des britischen Schatzamts bei der Pariser Friedenskonferenz zurückgetreten ist. Nach Keynes Ansicht führen die dem Deutschen Reich aufgezwungenen wirtschaftlichen Bedingungen zu einer weltweiten finanziellen und politischen Katastrophe.


Das deutsche Auswärtige Amt in Berlin veröffentlicht ein "Weißbuch betreffend der Verantwortlichkeit der Urheber am Kriege", in dem eine alleinige Kriegsschuld des Deutschen Reichs zurückgewiesen wird.


Das finnische Außenministerium in Helsingfors (Helsinki) bezeichnet sowjetrussische Meldungen über Kriegsmaßnahmen Finnlands gegen SowjetRussland als "wie gewöhnlich lügenhaft". Die "von den bolschewistischen Horden verübten bestialischen Grausamkeiten" hätten die finnische Jugend veranlaßt, ihr Leben für die Befreiung der finnischen Völker und Russlands zu wagen. Von regulären finnischen Truppen sei nicht ein Schuß abgefeuert worden, ohne dass ein Angriff vorausgegangen wäre.


Der deutsche Arbeiter-Turn-Bund wird bei seiner Bundestagung in Leipzig in Arbeiter-Turn- und Sportbund umbenannt.


12

Donnerstag, 12.6.1919

Das Standgericht in München verurteilt Gustav Klinglhöfer, den stellvertretenden Führer der Roten Garde während der kommunistischen Herrschaft in München, wegen Hochverrats zu fünf Jahren und sechs Monaten Festungshaft.


Das Standgericht in Würzburg verurteilt die Führer der Würzburger Räterepublik zu zehn bis 15 Jahren Festungshaft. Wie in München war auch im unterfränkischen Würzburg die Räterepublik proklamiert worden.


Die Alliierten richten ein zweites Ultimatum an die ungarische Räteregierung in Budapest, die Kampfhandlungen auf tschechoslowakischem Gebiet sofort einzustellen. Die ungarische Armee wird aufgefordert, sich "hinter die für Ungarn bestimmten Grenzen" zurückzuziehen.


Die Kölner Universität wird eröffnet; bei dem Festakt spricht u.a. Kölns Oberbürgermeister Konrad Adenauer.


13

Freitag, 13.6.1919

Rosa Luxemburg, die am 15. Januar ermordet wurde, wird in Berlin beigesetzt.


Das Deutsche Reich und die Schweiz ratifizieren das deutsch-schweizerische Ausfuhrabkommen. Die Schweiz erhält Kohlen, Eisen, Stahl und Kalisalz und liefert Nahrungsmittel ins Deutsche Reich.


In Berlin beginnt der achte deutsche Pazifistenkongreß. Die bis zum 15. Juni dauernde Veranstaltung ist verbunden mit den Generalversammlungen der Deutschen Friedensgesellschaft und der Zentralstelle Völkerrecht.


Der Landtag von Württemberg in Stuttgart beschließt gegen die Stimmen der Sozialdemokraten die Aufhebung der Arbeiter-, Bauern- und Soldatenräte als rechtlich anerkannte Instanzen bis zum 15. Juli . Nach der Verabschiedung der Verfassung betrachten die bürgerlichen Parteien die Räte als entbehrlich.


14

Samstag, 14.6.1919

Hermann Müller und Otto Wels werden auf dem Parteitag der MSPD in Berlin zu Parteivorsitzenden gewählt.


15

Sonntag, 15.6.1919

Die nach der neuen Gemeindeverfassung durchgeführten Gemeindewahlen in Bayern erbringen der politischen Linken in München große Stimmengewinne, während in der Provinz die bürgerlichen Parteien die Mehrheit erringen.


Sieger bei den Wahlen zum Nordtiroler Landtag wird die Tiroler Volkspartei mit 18 Mandaten. Sechs Mandate gehen an die Sozialdemokraten, drei an die Deutschfreiheitliche Partei. Gewählt wird ferner ein Kandidat der Wirtschaftlichen Vereinigung.


16

Montag, 16.6.1919

Ultimatum der Siegermächte an Deutschland

Die deutsche Friedensdelegation in Versailles erhält die abschlägige Antwort der Alliierten auf ihre Gegenvorschläge zu einem Friedensvertrag.


In Frankreich beginnt ein Generalstreik der Bergarbeiter um die Einführung des Achtstundentags.


Ungarn: Trotz der Versprechen, die ehemaligen Grenzen Ungarns wiederherzustellen, erklären die Kommunisten nach den militärischen Erfolgen in Prešov (Eperjes) sofort die Gründung der Slowakischen Räterepublik. Nach der Ausrufung der Slowakischen Sowjetrepublik erkennen die ungarischen Nationalisten und Patrioten bald, dass die neue kommunistische Regierung nicht die Absicht hat, die verlorenen Gebiete zurückzuerobern, sondern nur die kommunistische Ideologie zu verbreiten und andere kommunistische Staaten in Europa zu gründen und damit die nationalen Interessen Ungarns zu opfern.


17

Dienstag, 17.6.1919

Die Parteileitung der USPD tritt in einem Aufruf "An das Proletariat" für die Unterzeichnung des Friedensvertrags ein.


Der Landtag von Oldenburg nimmt die Verfassung als demokratisch-parlamentarischer Freistaat an.


18

Mittwoch, 18.6.1919

Die von der deutschen Reichsregierung ernannten Sachverständigen lehnen die Unterzeichnung des Versailler Friedensvertrags ab.


Belgien, Brüssel: US-Präsident Woodrow Wilson besucht in Begleitung des belgischen Königs Albert I. das belgische Kriegsgebiet; am Abend trifft er in Brüssel ein. Am 19. hält die Abgeordnetenkammer eine Festsitzung zu Ehren des Präsidenten ab.


19

Donnerstag, 19.6.1919

Schlacht von Wenden

Lettland, Cēsis: Die Schlacht von Wenden (Schlacht bei Cēsis) beginnt, als die Eiserne Division einen Angriff auf die estnischen Stellungen nahe Limbaži startet. Diese Schlacht setzt estnisch-lettische Truppen gegen die Baltische Landeswehr ein, die durch deutsche Freikorps verstärkt wird. Sie endet am 23. Juni mit einem Sieg für die estnischen Truppen, die daraufhin in Richtung Riga vorrücken.


Italien, Rom: Der italienische Ministerpräsident Vittorio Emanuele Orlando tritt zurück, nachdem ihm das Parlament in Rom wegen seines widersprüchlichen Auftretens auf der Pariser Friedenskonferenz das Mißtrauen ausgesprochen hat. Am 23. Juni bildet Francesco Saverio Nitti eine neue Regierung.


Der Landtag der Republik Braunschweig fordert bei Stimmenthaltung der MSPD die beiden USPD-Regierungsmitglieder zum Austritt aus der Regierung auf. Am 20. Juni legen sie ihre Ämter nieder.


20

Freitag, 20.6.1919

Das Kabinett Scheidemann tritt aus Protest gegen das Ultimatum zurück

Die deutsche Reichsregierung unter dem Ministerpräsident Philipp Scheidemann (MSPD) tritt wegen Meinungsverschiedenheiten über die Annahme des Versailler Friedensvertrags zurück.


Frankreich, Paris: Die französische Abgeordnetenkammer in Paris verabschiedet den Gesetzentwurf über die Einführung des Achtstundentags in Bergwerken.


21

Samstag, 21.6.1919

Neuer Reichsministerpräsident wird Gustav Bauer

Der Arbeitsminister im früheren Kabinett Philipp Scheidemanns (MSPD), Gustav Bauer (MSPD), bildet eine neue Reichsregierung.


Selbstversenkung der Kaiserlichen Hochseeflotte in Scapa Flow

Vereinigtes Königreich, Scapa Flow: Im britischen Marinestützpunkt in Scapa Flow versenken die Mannschaften der dort internierten deutschen Hochseeflotte ihre Schiffe, um sie nicht in die Hände der Alliierten fallen zu lassen.


22

Sonntag, 22.6.1919

Nationalversammlung stimmt unter Vorbehalt der Unterzeichnung des Versailler Friedensvertrags zu

Deutsches Reich, Weimar: Die Weimarer Nationalversammlung billigt unter Vorbehalt die Unterzeichnung des Versailler Friedensvertrags. Die SPD, USPD, Zentrum, teilweise DDP stimmen mit 237 zu 138 Stimmern dem Abschluss des Vertrages zu. (Unterzeichnung des Versailler Vertrags: 28. Juni 1919)


Aus Protest gegen die Entscheidung, den Versailler Friedensvertrag zu unterzeichnen, scheidet der preußische Kriegsminister Walther Reinhardt (parteilos) aus der Reichsregierung aus. Mit Zustimmung von Reichspräsident Friedrich Ebert (MSPD) wird er jedoch weiterhin mit beratender Stimme an den Sitzungen des Reichsministeriums teilnehmen.


23

Montag, 23.6.1919

Die Weimarer Nationalversammlung billigt die bedingungslose Unterzeichnung des Versailler Friedensvertrags.


Soldaten der Berliner Freikorps verbrennen französische Fahnen, aus Protest gegen den Friedensvertrag von Versailles.


Der deutsche Generalfeldmarschall Paul von Hindenburg teilt der Reichsregierung unter Gustav Bauer (MSPD) in Weimar telegrafisch mit, dass er sich mit der bedingungslosen Unterzeichnung des Versailler Friedensvertrags nicht einverstanden erklären könne.


Der deutsche Reichswehrminister Gustav Noske (MSPD) appelliert in einem Aufruf "An die Reichswehr!", ihm weiter zur Seite zu stehen, nachdem sein Rücktrittsgesuch von Reichspräsident Friedrich Ebert (MSPD) abgelehnt wurde.


Das Standgericht in München verurteilt Ernst Niekisch, den früheren Vorsitzenden des Revolutionären Zentralrats wegen Beihilfe zum Hochverrat zu zwei Jahren Festungshaft.


Das finnische Parlament in Helsingfors (Helsinki) nimmt die republikanische Verfassung an.


Schlacht von Cēsis

Lettland, Cēsis: Die estnische 3. Division unter dem Kommando von General Ernst Põdder, darunter das 2. lettische Cēsis-Regiment der Nordlettischen Brigade, besiegt die Landeswehr in der Schlacht von Cēsis.


Ungarn: Ungarn unterzeichnet einen Waffenstillstand mit der Tschechoslowakei.


Der seit dem 14. Juni in Budapest tagende Landeskongress der revolutionären ungarischen Arbeiter-, Soldaten- und Bauernräte genehmigt den Verfassungsentwurf der Ungarländischen Sozialistischen Räterepublik.


Das Internationale Olympische Komitee beschließt in Lausanne, dass die Gastgeberländer für Olympische Spiele über eine Teilnahme deutscher Sportler entscheiden sollen.


24

Dienstag, 24.6.1919

Der Berliner Nachrichtenagentur Wolffs Telegraphen-Bureau (WTB) veröffentlicht den von Reichspräsident Friedrich Ebert und Reichsministerpräsident Gustav Bauer (MSPD) unterzeichneten Aufruf "An das deutsche Volk!".


Das preußische Kriegsministerium und der Chef der Admiralität geben Erlasse heraus, in denen die Soldaten aufgefordert werden, ihren Dienst trotz der bedingungslosen Unterzeichnung des Versailler Friedensvertrags weiter zu tun, in denen aber zugleich der Überzeugung Ausdruck gegeben wird, dass die Versailler Friedensbedingungen mit der Soldatenehre unvereinbar seien.


Der Danziger Oberbürgermeister Heinrich Sahm gibt eine Erklärung ab zur Errichtung der Freien Stadt Danzig.


Die Feindseligkeiten zwischen Ungarn und der Tschechoslowakei an der slowakischen Front werden eingestellt.


Der ungarische Zentralvollzugsausschuß in Budapest wählt eine neue Regierung, der fast ausschließlich Kommunisten angehören. Zum Präsidenten des Regierenden Rats wird Anton Dovcsak gewählt. Volksbeauftragter für auswärtige Angelegenheiten wird Béla Kun.


Christopher Addison übernimmt die Leitung des neugeschaffenen britischen Gesundheitsministeriums.


25

Mittwoch, 25.6.1919

Der deutsche Generalfeldmarschall Paul von Hindenburg legt den militärischen Oberbefehl nieder.


In Hamburg kommt es zu Lebensmittelunruhen, die sich an den wucherischen Preissteigerungen entzünden. Es werden fast 200 Menschen getötet.


Der dänische Ministerpräsident Carl Theodor Zahle ernennt den als Führer der dänischen Bevölkerung in Schleswig bekannten Politiker Hans Peter Hanssen, von 1906 bis 1918 Mitglied des Deutschen Reichstags, zum Minister ohne Geschäftsbereich (nach der Unterzeichnung des Versailler Friedensvertrags führt er den Titel "Minister für Süd-Jütland").


Der frühere kaiserliche deutsche Reichskanzler Theobald von Bethmann Hollweg bietet sich den alliierten Siegermächten als Geisel anstelle des deutschen Ex-Kaisers Wilhelm II. an.


Der Zentralvollzugsausschuß der ungarischen Räterepublik in Budapest nimmt eine Entschließung über die Diktatur des Proletariats an.


In Southport an der britischen Westküste beginnt die Jahreskonferenz der britischen Labour Party. Sie dauert bis zum 27. Juni . Zentrale Themen sind der Versailler Friedensvertrag und die Politik gegenüber SowjetRussland.


Der Film "Die Austernprinzessin" von Ernst Lubitsch mit Ossi Oswalda in der Titelrolle wird in Berlin uraufgeführt.


26

Donnerstag, 26.6.1919

Die preußische Landesversammlung in Berlin lehnt nach zweitägiger Debatte den Versailler Friedensvertrag ab als einen "allem Rechtsgefühl hohnsprechenden" Frieden, "der unser Volk in der schlimmsten Weise vergewaltigt".


In Berlin kommt es wegen steigender Lebensmittelpreise zu einem Eisenbahnerstreik.


Eduard Schmid (MSPD) wird zum Ersten Bürgermeister der bayerischen Hauptstadt München gewählt.


27

Freitag, 27.6.1919

In Vollzug der Änderung des Fabrikgesetzes wird in der Schweiz per 20. Januar 1920 die 48-Stunden-Woche eingeführt.


In Neuseeland findet eine Volksabstimmung über das Verkaufsverbot von Alkohol statt. Für ein solches Verbot stimmen 246 104 Zivilisten und 7723 Armeeangehörige. Gegen das Verbot stimmen 232 208 Zivilisten und 31 981 Armeeangehörige. Das Verbot wird also mit einer Mehrheit von 10 362 Stimmen abgelehnt.


Die französische Zeitung "L'Humanité" veröffentlicht einen Friedensaufruf an die "Geistesarbeiter" der Welt.


Die Kommandantur der italienischen Truppen in Kärnten teilt dem deutschösterreichischen Landesbefehlshaber in Kärnten die vom Obersten Rat der Alliierten festgesetzte Demarkationslinie zwischen Deutschösterreich und dem Königreich der Serben, Kroaten und Slowenen (Jugoslawien) mit. Danach fallen Klagenfurt und das ganze Nordufer des Wörther Sees samt Velden in den deutschösterreichischen Besetzungsbereich.


Die Offiziere der ehemaligen Königlichen Preußischen Armee und der ehemaligen kaiserlichen Marine richten an Königin Wilhelmina der Niederlande einen Aufruf mit der Bitte, den früheren deutschen Kaiser und preußischen König Wilhelm II. nicht an die Alliierten auszuliefern.


Die tschechoslowakische Nationalversammlung in Prag nimmt den Antrag an über die Errichtung der dritten tschechoslowakischen Universität in Bratislava nach Prag und Brünn.


28

Samstag, 28.6.1919

Unterzeichnung des Versailler Vertrags

Der Versailler Friedensvertrag zwischen dem Deutschen Reich und den Alliierten wird unterzeichnet. Die deutsche Delegation unterschreibt unter Protest den ihr vorgelegten Friedensvertrag von Versailles, welcher formell den Ersten Weltkrieg abschließt. Zugleich wird im Vertragswerk die Satzung des entstehenden Völkerbundes akzeptiert. Am gleichen Tag wird auch der Minderheitenschutzvertrag zwischen den Alliierten und Assoziierten Hauptmächten und Polen unterzeichnet. Der Vertrag konstatiert die alleinige Verantwortung Deutschlands und seiner Verbündeten für den Ausbruch des Ersten Weltkriegs und verpflichtet es zu Gebietsabtretungen, Abrüstung und Reparationszahlungen an die Siegermächte. Nach ultimativer Aufforderung unterzeichnet Deutschland den Vertrag unter Protest im Spiegelsaal von Versailles. Nach der Ratifizierung und dem Austausch der Urkunden tritt er am 10. Januar 1920 in Kraft. (Pariser Friedenskonferenzen: 18. Januar 1919 bis zum 21. Januar 1920)

Deutsche Verhandlungsdelegation 1919 in Versailles

(v.l.n.r.) Walther Schücking, Johannes Giesberts, Otto Landsberg, Ulrich von Brockdorff-Rantzau, Robert Leinert, Carl Melchior

Deutsche Verhandlungsdelegation 1919 in Versailles©
(v.l.n.r.) Walther Schücking, Johannes Giesberts, Otto Landsberg, Ulrich von Brockdorff-Rantzau, Robert Leinert, Carl Melchior

Die deutsche Friedensdelegation unterzeichnet in Versailles u.a. eine Vereinbarung über die militärische Besetzung des Rheinlands.


Frankreich, Paris: US-Präsident Woodrow Wilson und der britische Premierminister David Lloyd George unterzeichnen in Paris Garantieverträge zugunsten Frankreichs bei einem deutschen Revancheangriff.


Frankreich, Paris: Polen und die Hauptmächte der alliierten Sieger des Weltkriegs unterzeichnen in Paris einen Vertrag über den Schutz der nationalen Minderheiten.


94,4% der stimmberechtigten Bevölkerung der zu Finnland gehörenden Ålandinseln sprechen sich bei einer Volksabstimmung für den Anschluß an Schweden aus.


Der französische Ministerpräsident Georges Benjamin Clemenceau fordert in einer Note die Regierung der Niederlande auf, den deutschen Kronprinzen Wilhelm, der in den Niederlanden interniert ist, gut zu bewachen. Die Niederlande weisen die Note zurück.


29

Sonntag, 29.6.1919

Die stimmberechtigten Männer des schweizerischen Kantons Neuenburg lehnen bei der ersten Volksabstimmung in der Schweiz über die Gleichberechtigung der Geschlechter mit 12 000 zu 5300 die politische Gleichberechtigung der Frauen ab. Die Mehrheit fürchtet, durch das Frauenstimmrecht könne der Sozialismus gefördert werden.


Vereinigtes Königreich von Großbritannien und Irland, London: Der britische Premierminister David Lloyd George trifft, von den Pariser Konferenzen kommend, in London ein, wo er am Bahnhof von König Georg V. und den Kabinettsmitgliedern feierlich empfangen wird.


Der US-amerikanische Präsident Woodrow Wilson schifft sich in Brest auf der "George Washington" zur Rückreise in die Vereinigten Staaten ein.


In Berlin wird die erste Ausstellung von "Merz-Bildern" des Malers und Schriftstellers Kurt Schwitters eröffnet, einem führenden Vertreter des deutschen Dadaismus und Expressionismus.


30

Montag, 30.6.1919

Frankreich, Paris: Die Vertreter der Republiken Aserbaidschan, Estland, Georgien, Lettland, Nordkaukasus, WeißRussland und Ukraine fordern in Paris von den Alliierten die Anerkennung ihrer Unabhängigkeit.


Die ungarische Rote Armee beginnt mit dem Rückzug auf die Grenzen, die Ungarn von den alliierten Siegermächten des Weltkriegs aufgezwungen wurden. Die ungarische Räteregierung gibt damit das gesamte eroberte Gebiet der Slowakei und der slowakischen Räterepublik sowie große Gebiete des eigentlichen magyarischen Landes preis.


In Nürnberg beginnt der zehnte Deutsche Gewerkschaftskongreß.


Italien, Rom: Die italienische Regierung in Rom hebt die während des Ersten Weltkriegs verhängte Zensur auf.