Sonne, Strand und Süden vor allem die Insel Mallorca galt den deutschen Urlaubern bisher als Synonym für das Sommerparadies schlechthin. Doch die Ferienindustrie der spanischen Tourismus-Hochburg steckt ebenso in der Krise wie viele andere Urlaubsregionen an der spanischen Adria. Nach einem verlustreichen Jahr 1989 kommen 1990 noch einmal 5,7% weniger Besucher als im Jahr zuvor. Spanien verliert insgesamt gar 18% seiner Feriengäste. »Das Ende einer Epoche«, titelt die Madrider Tageszeitung »El Pais«. Die Tourismus-Manager führen die Zurückhaltung bei Spanienreisen vor allem auf die erstarkte Peseta und den häufig schwachen Hotelservice zurück. Trotz des Rückgangs zählt die Ferienindustrie aber weiterhin zu den wichtigsten spanischen Wirtschaftsbereichen. 1990 suchen immer noch 54 Mio. Besucher Erholung in spanischen Gefilden, auch vom deutschen Tourismus-Geschäft hält das Land über 60%. Der Golf-Krieg und die Angst der Urlauber vor Anschlägen in anderen Gegenden helfen Mallorca und Spanien schließlich über die Krise hinweg.
1990 legen die Urlauber am Mittelmeer noch verstärkt Wert auf Qualität. Und das heißt, so ein Reiseveranstalter: »Ruhe, Originalität und besonders unverdorbene Natur.« Ruhe ist aber am Mittelmeer mit seinen zahllosen »Bettenburgen« schwer zu finden. Gerade in Spanien ist die Bauwut noch ungebrochen. Auf Gran Canaria hat sich die Bettenzahl seit 1988 von 90 000 auf fast 200 000 erhöht.
In puncto Umwelt wird den Mittelmeer-Anrainern ein schlechtes Zeugnis ausgestellt. Zwölf spanische Strände an der Costa Brava, der Costa Blanca, der Costa del Sol und im Golf von Valencia stehen 1990 vor der Schließung, weil sie extrem verschmutzt sind.
In Italien ist der Zugang an einigen Küstenstränden von Neapel, Triest, Salerno, Venedig und Genua bereits geschlossen. Auch die gefürchteten Algenteppiche treten an einzelnen Stränden wieder auf.
Mehr und mehr erkennen die Urlauber die Vorteile heimischer Regionen: In Schleswig-Holstein etwa beraten Naturschützer und Hoteliers seit 1985, wie Umwelt- und Naturschutz mit dem Tourismus verbunden werden können. 1990 zahlt sich der angestrebte Trend »Naturlaub« aus: 15 Mio. Übernachtungen verzeichnet die Statistik, ein Rekordplus von 10%. Der Reiseveranstalter TUI zieht angesichts dieser Entwicklung noch im gleichen Jahr Konsequenzen und stellt als der Branche einen Umweltbeauftragten ein.
Naturerlebnisse in der Freizeit werden zum Renner: Immer mehr Menschen erholen sich beim »aktiven Sporturlaub«: Allein der Feldberg im Schwarzwald muss an manchen Wochenende über 10 000 Wanderer verkraften. Immer attraktiver wird auch das aus Kalifornien importierte Mountain-Bike, das selbst in den Bergen nicht geschoben werden muss Über 1,5 Mio. Stück der bis zu 7000 DM teuren Räder werden 1990 verkauft, obwohl die Natur bei derlei Aktivitäten schweren Schaden nehmen kann: Wildtier wird aufgeschreckt, und die Reifen reißen tiefe Narben in den Boden. Das Bayerische Umweltministerium verbietet deshalb das Bergfahren abseits der besonders gekennzeichneten Wege.
Auch die ostdeutsche Bevölkerung nutzt das erste Jahr ihrer neuen Freiheit zu Reisen. Zwei Drittel der 16 Millionen DDR-Bürger wollen ins Ausland fahren. Vor allem preisgünstige Busreisen stehen hoch im Kurs: So bieten Reisegesellschaften eine Fahrt nach Oberbayern und Österreich schon für 99 DM an.
Hingegen bleibt der Touristenstrom in umgekehrter Richtung aus. Die Strände der Ostsee bleiben häufig leer, »tote Hose« heißt es an zahlreichen Orten. Weil auch die eigenen Gäste aus den DDR-Gebieten ausbleiben, verzeichnet etwa das Rügener Ostseebad Binz im Sommer 1990 ein Minus von fast 50%. Berichte über den mangelhaften Zustand in Unterkünften und auf Camping-Plätzen haben offenbar zudem viele westdeutsche Urlauber abgeschreckt.