Faulenzen ist out - »action« muss sein: Dieser Trend lässt sich 1994 im Urlaubs- und Freizeitverhalten der Deutschen feststellen. Vor allem zeigt sich, dass die Bundesbürger sich das ganze Jahr über einzuschränken bereit sind, um in den Ferienwochen nicht auf die Mark schauen zu müssen. Die Ausgaben für Urlaubsreisen steigen deutlich schneller als die zur Verfügung stehenden Einkommen.
Insgesamt geben die Deutschen 1994 für Auslandsreisen 66,6 Mrd. DM aus, fast 5 Mrd. DM mehr als im Vorjahr. 43,9 Mio. Deutsche reisen 1994 ins Ausland, 1990 waren es noch 37,2 Mio. Weltweit sind sie das reiselustigste Volk, gefolgt von den Japanern, die 38 Mrd. DM in Trips über die Landesgrenzen investieren. Als Ursachen des Reisebooms gelten das immer noch große Nachholbedürfnis der Ostdeutschen in punkto Auslandsreisen sowie das hohe Prestige, das Ferien in fremden Ländern unter den Westdeutschen hat.
Dagegen stagnieren die Einnahmen der deutschen Tourismusbranche durch Reisende aus dem Ausland bei rd. 17 Mrd. DM. Die Zahl der ausländischen Gäste ging seit 1990 von 28 Mio. auf 23,5 Mio. (1994) zurück. Als ein Grund hierfür gilt die starke D-Mark, die den Urlaub in Deutschland teuer macht. Hinzu kommt aber auch das vor allem durch Berichte über ausländerfeindliche Übergriffe schlechter gewordene Image der Bundesrepublik.
Trotz des Supersommers in Mitteleuropa zieht es 1994 immer mehr deutsche Urlauber in weitere Fernen. Unter den ausländischen Reisezielen liegt zwar Österreich weiterhin vorn, jedoch hat sich der Vorsprung gegenüber den klassischen Reiseländern am Mittelmeer - Spanien und Italien - minimiert. Der Deutsche Reisebüro Verband konstatiert darüber hinaus eine Zunahme der Fernreisen um 30%. Ziele wie Thailand, Indonesien, Südafrika, Kenia und die Karibik (dort vor allem die Dominikanische Republik) weisen fast durchweg zweistellige Zuwachsraten auf. Zu den Rennern zählen weiterhin die USA - begünstigt durch immer billigere Transatlantikflüge und die Dollarschwäche - und neuerdings Australien und Neuseeland. Die Reiseveranstalter haben auf den Trend zu Fernreisen längst reagiert und ihr Angebot stark erweitert. Die Urlauber lohnen es ihnen, indem sie deutlich häufiger Pauschalangebote wahrnehmen. Bei 13,7% liegt das Umsatzplus, das die deutschen Reiseveranstalter im Jahr 1994 verbuchen können.
Nicht nur Exotik, sondern auch kontrolliertes Abenteuer versprechen die sog. Erlebnisreisen, die ebenfalls voll im Trend liegen. So gibt es Pauschalangebote für Kameltrecks durch die Sahara oder Reiten in der Mongolei, Trips zu den Ureinwohnern von Papua-Neuguinea oder Wildwasserrafting auf dem Colorado River in den USA. Während die Zielländer sich zumeist über den Zuwachs an Einnahmen freuen, äußern Umweltschützer Besorgnis, weil sie fürchten, dass noch weitgehend intakte Natur durch den Tourismus gefährdet werden könnte. Der Trend zu »grünem Urlaub« mit möglichst geringen Eingriffen in die Umwelt, der vor einigen Jahren deutlich zu spüren war, scheint passé.
»Action« und Natur pur gibt es neuerdings auch aus der Retorte. In immer mehr Ländern entstehen gigantische Freizeitparks, die eine paradiesische Urlaubslandschaft künstlich nachbilden. So wird auf der japanischen Insel Kyushu nur wenige hundert Meter vom realen Ozean entfernt ein »Ocean Dome« mit Sandstrand und Meeresbrandung, per Lautsprecher verbreitetem Vogelgezwitscher und elektrisch erzeugtem Wind eröffnet. Die Anlage mit einer Fläche von 30 000 m2 verfügt über ein ausfahrbares Dach, das bei schönem Wetter geöffnet werden kann. Ebenfalls in Japan steht der »Lalaport Ski Dome«, der bis zu 2000 Skifahrern bei jedem Wetter Pistenspaß verschafft. In Deutschland sind derartige Projekt noch in der Planungsphase, sie gelten aber auch hier als äußerst zukunftsträchtig.