Unauffällig und leicht

Wohnen und Design 1995:

»Klassisch« – an diesem Zauberwort scheinen sich die internationalen Designer Mitte der 90er Jahre konsequent zu orientieren. Die neue Möbelmode gibt sich sachlich und pragmatisch, unauffällig bis konventionell, gelegentlich auch langweilig und bieder, aber stets komfortabel. Der Postmodernismus mit seinen schrägen Formen und schrillen Farben ist endgültig passe, selbst ausgefallene und extravagante Ideen werden vielfach in schlichtem Gewand präsentiert.

Die seit einigen Jahren propagierte »neue Einfachheit« bedeutet auch eine »neue Leichtigkeit«. Optisch den Raum beherrschende skurrile Einzelstücke, wie sie die wilden Nachwuchsdesigner der 80er Jahre entworfen haben, sind ebenso wenig gefragt wie wuchtige Sitzmöbel, ausladende Bettenlandschaften oder massige Schrankwände. Stattdessen werden nun leichte Polstersesselchen, zierliche Kommoden, auf ein winziges Format zusammenschiebbare Tische, schwerelos erscheinende Ruhemöbel propagiert. Mit einem solchen Angebot wollen Studiodesigner und Möbelindustrie nicht nur für die mobile Nachwuchsgeneration den Umzug bequemer machen, sondern es auch den Sesshaften erleichtern, ohne teure Neukäufe – es genügt vielleicht ein Beistelltischchen, ein Zeitungsständer oder ein Tischwagen – durch Umstellen und Neu-Arrangieren der immer selben Wohnung ein immer neues Gesicht zu geben.

Die neue Möbelgeneration schmeichelt dem Auge nicht nur mit sanften Formen, sondern auch mit beruhigenden Farben. Bei den Stoffen herrschen warme Erd-, Sand- und Gewürztöne vor, bei den Hölzern das warme Braun der Buche oder der fein gemaserten, seidig glänzenden Kirsche. Immer noch im Trend ist Ahorn, schlicht und hell für Küchenfronten oder mit interessanter Maserung als Vogelaugenahorn für gediegene Kleinmöbel, neu entdeckt werden Olive, Zeder und Kokospalme. Ein vorsichtiges Revival feiert Eiche für Möbel im Landhaus-Stil und sogar Nussbaum, lange Zeit Inbegriff trister Wohnkultur der Nachkriegszeit. Insbesondere italienische Hersteller versuchen dem Holz mit interessanten Beiztönen ein neues Image zu geben.

Wer nur wenig Platz für Möbel hat, gibt nicht unbedingt weniger Geld für sie aus. Vor allem an zahlungskräftige junge Singles, die es in die Metropolen zieht und die sich angesichts hoher Innenstadtmieten mit einem kleinen Apartment zufriedengeben, wenden sich die Hersteller von Klapp- und Stapelmöbeln – ein Feld, auf dem es immer noch Überraschungen zu vermelden gibt. So präsentiert der Schwede Jesper Stähl auf der Kölner Möbelmesse den Klappstuhl »Point«, der sich zusammenfalten und dann wie ein Bild an die Wand hängen lässt. Christian Anderegg stellt den Stapelstuhl »Basic 2000« vor, der nur 1500 g wiegt. Der Trick: Der Schweizer Schreiner verwendet für das Gestell Glasfaserrohre, die er von einem Angelrutenhersteller bezieht. Sawaya & Moroni erregen beim Mailänder Möbelsalon Aufsehen mit einem Tisch, dessen Beine sich so zusammenlegen lassen, dass das mit einem Tragegriff ausgerüstete Stück – ungeheuer trendy – wie eine Künstlermappe aussieht.

Verwandlungsfähigkeit und Flexibilität ist auch bei Kindermöbeln gefragt, die mit ihren Bewohnern »wachsen« und den wechselnden Ansprüchen angepasst werden können. So lassen sich bei vielen Programmen Wickeltische mit wenig Aufwand zu Kommoden umbauen, aus einem Gitterbett wird im Handumdrehen ein Jugendbett. Die Hersteller der »Fiffikus«-Kindermöbel haben sich etwas ganz Besonderes ausgedacht: »Gisi Giraffe«, »Willi Walross« oder »Sheila Schnecke« heißen die Möbel, mit denen sich Kinderzimmer in einen zoologischen Garten verwandeln lassen. Zur Palette gehören z. B. eine nilpferdförmige Holzplatte als Rückenlehne eines Stuhls, eine Rutsche aus einem Elefantenrüssel oder ein Regal mit zwei Ablageflächen, die von Papageien zusammengehalten werden.

Chroniknet