Dreigroschenoper und Bolero: Zwei epochale Werke werden uraufgeführt

Politik und Gesellschaft 1928:

Ungeachtet dieser Gegenkräfte – oder gerade von ihnen provoziert: Die kulturelle Avantgarde im Deutschen Reich versteht sich als links und ist entschieden pazifistisch. Die »Dreigroschenoper«, die amüsant das kapitalistische System attackiert, begeistert Publikum und Kritik, antimilitaristische und gesellschaftskritische Zeitstücke werden zu Höhepunkten der Theatersaison, und der Antikriegsroman »Im Westen nichts Neues« von Erich Maria Remarque, von den Verlagen zunächst abgelehnt, findet beim Vorabdruck in der »Vossischen Zeitung« große Beachtung. 1928 ist aber auch das Jahr, in dem der Jugendroman »Emil und die Detektive« von Erich Kästner erscheint. In Großbritannien führen freizügige Passagen in dem Roman »Lady Chatterley« von D. H. Lawrence zum Skandal.

Aus den Filmproduktionen des Jahres 1928 ragt vor allem Sergei M. Eisensteins »Oktober« heraus, in Deutschland später unter dem Titel »10 Tage, die die Welt veränderten« bekannt. Das Ballett »Bolero« von Maurice Ravel reißt das Pariser Premierenpublikum zu Beifallsstürmen hin. Sportliche Höhepunkte des Jahres sind die Kugelstoßweltrekorde von Emil Hirschfeld, der Olympiasieg von Sonja Henie im Eiskunstlauf sowie die Rekordserie des finnischen Laufwunders Paavo Nurmi. Der Radprofi Alfredo Binda gewinnt zum dritten Mal den Giro d’Italia und Rudolf Caracciola wird Sieger des Großen Preises von Deutschland im Automobilrennen. Der populäre Boxer Max Schmeling erringt den Titel des deutschen Schwergewichtsmeisters. Mit stockendem Atem verfolgt die Welt die dramatische Rettungsaktion für das über dem Nordpol abgestürzte Luftschiff »Italia« von Umberto Nobile, die dem norwegischen Polarforscher Roald Amundsen den Tod bringt.

Chroniknet