Hochhäuser in den Metropolen

Hochhäuser in den Metropolen
Brasília: Kongressgebäude Congresso Nacional (Architekt: Oscar Niemeyer). By Marcelo Jorge Vieira from Brazil (Flickr) [CC BY-SA 2.0], via Wikimedia Commons

Architektur 1960:

Die Einweihung der brasilianischen Retorten-Hauptstadt Brasilia bedeutet einen Höhepunkt in der Baukunst des 20. Jahrhunderts. Bei der Beurteilung der Betonmonumente inmitten einer unbesiedelten Hochlandregion reichen die Kritikermeinungen von der Warnung vor einem »Planungsfaschismus« bis zum Prädikat »perfekte Idealstadt«.

Auch das Panorama der europäischen Metropolen wird seit den 50er Jahren nach US-amerikanischem Vorbild zunehmend durch turmhohe Verwaltungsgebäude mit geraden, schmucklosen Fassaden geprägt. Funktional gestaltete »Wolkenkratzer« bieten auf einem Minimum an Grundfläche ein Höchstmaß an Arbeitsplätzen und dienen den Städten gleichzeitig als Symbol für ihre wirtschaftliche Leistungsfähigkeit.

Mailand erhält mit dem 1960 fertiggestellten Pirelli-Hochhaus einen markanten architektonischen Fixpunkt. Nach Konstruktionsplänen des italienischen Architekten Pier L. Nervi hat sein Landsmann Gio Ponti ein elegant wirkendes Geschäftszentrum mit einer rund anmutenden Frontseite errichtet. Der bootsförmig-schmale Grundriss und die verdeckte Skelettbauweise (»Curtain-walk«-Technik) verleihen dem Gebäude Modellcharakter für die moderne Baukunst. Zu den renommiertesten Adressen unter den Architekten der Bundesrepublik zählt das Büro von Helmut Hentrich und Hubert Petschnigg. Mit ihrem Düsseldorfer »Dreischeibenhaus« für den Phoenix-Rheinrohr-Konzern (heute Thyssen) wird nach einhelliger Fachmeinung der US-amerikanische Standard bei der Konstruktion von Hochhäusern erreicht. Der kühne Entwurf mit dreibündiger Gliederung wird 1960 nach einer Bauzeit von drei Jahren realisiert und dient der Metropole am Rhein als Markenzeichen für ihre Bedeutung als führendes industrielles Verwaltungszentrum. Die einzigartige Wirkung des 18-geschossigen Gebäudes beruht auf dem Kontrast zwischen den großen gerasterten Breitseiten und der extrem schmalen Seitenansicht der drei versetzt angelegten »Scheiben«-Trakte. Das im Vorjahr in der Nähe entstandene Bürohaus der Mannesmann AG am Rheinufer erscheint dagegen als fantasieloser Klotz.

In Berlin (West) legt der Dirigent Herbert von Karajan am 19. September am Kemperplatz den Grundstein für das Konzerthaus des Philharmonischen Orchesters. Die Konzeption des ehemaligen Bauhausarchitekten Hans Scharoun, 1956 als Sieger aus einem Wettbewerb hervorgegangen, bedeutet eine Absage an die moderne Quaderbauweise. Die Philharmonie, sie wird 1963 fertiggestellt, erhält ihren eigenwilligen Reiz durch geschwungene Linien und organisch aufeinander bezogene Gebäudeteile, die auf das in der Mitte platzierte Orchesterpodium ausgerichtet sind. Die Bemühungen der Berliner um ein stärkeres kulturelles Profil ihrer Stadt zeigen sich auch in dem Neubau für die Akademie der Künste. Am 18. Juni übergibt Altbundespräsident Theodor Heuss (FDP) das von Werner Düttmann entworfene Ausstellungsgebäude – vom Volksmund wegen der herabgezogenen Dachform als »Gewächshaus« bezeichnet – seiner Bestimmung. Am 23. Juni tritt in der Bundesrepublik das einheitliche Bundesbaugesetz in Kraft: Die Zersplitterung der Rechtsprechung durch Landesgesetze wird durch ein »Grundgesetz des Bauens« ersetzt, das einen neuzeitlichen Städtebau nach den Prinzipien der Raumordnung und Landesplanung ermöglichen soll. Den kommunalen Selbstverwaltungsorganen wird mit den Bestimmungen über die Bauleitplanung ein Instrument an die Hand gegeben, über die Nutzung der Flächen in den Gemeinden eigenverantwortlich zu entscheiden.

Jeder Bauleitplan muss künftig vier Wochen vor der Beschlussfassung öffentlich ausgelegt werden und kommt, wenn von den Bürgern Einsprüche vorgebracht werden, erneut vor das Gemeindeparlament, wo er dann als Satzung verabschiedet werden kann. In bestimmten Fällen erhalten die Kommunen ein Vorkaufsrecht und sogar die Möglichkeit zur Enteignung von Baugrundstücken.

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