Erstmals Lehrstellenmangel

Bildung 1982:

Auch im Bildungswesen macht sich 1982 die »Wende« bemerkbar. Schon kurz nach ihrem Amtsantritt im Oktober revidiert die neue CDU/CSU/FDP-Regierung ein Kernstück der sozialliberalen Bildungspolitik, das Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG), mit dem finanziell bedingte Ungleichheiten bei den Bildungschancen ausgeglichen werden sollen. Ab dem Schuljahr 1983/84 erhalten nur noch solche Schüler finanzielle Unterstützung, die ausbildungsbedingt nicht zu Hause wohnen können. Die Förderung der Studenten wird vom Wintersemester 1983/84 an vollständig auf Darlehensbasis umgestellt (<!– –>3.11.<!– –>).

Auf Eis gelegt wird ein Reformvorhaben der alten Bundesregierung, das die an acht Hochschulen erprobte einstufige Juristenausbildung festschreiben sollte. Die Neugestaltung sah eine fünfjährige Grundausbildung (davon zwei Jahre Praxis) sowie eine 18-monatige Schwerpunktausbildung (davon sechs Monate Praxis) vor. Die unionsregierten Länder haben sich schon frühzeitig gegen dieses Vorhaben gewandt, da durch die Schwerpunktausbildung die Gefahr einer »Zersplitterung« bestehe, die den »Einheitsjuristen« verschwinden lasse. Der Bundesrat befürwortete ein von Niedersachsen und Schleswig-Holstein vorgelegtes Modell, das an der herkömmlichen Aufteilung (dreieinhalb Jahre Studium, zweieinhalb Jahre Referendariat) festhält.

Für eine aufsehenerregende Neuheit auf dem Hochschulsektor sorgt 1982 das Land Nordrhein-Westfalen mit der Zulassung der ersten Privatuniversität in der Bundesrepublik Deutschland. Die Private Hochschule Witten/Herdecke, die sich allerdings nicht Universität nennen darf und erst genehmigt wurde, nachdem sie zugesichert hatte, dass sie keine öffentlichen Mittel in Anspruch nehmen werde, nimmt im Sommer ihren Betrieb auf. Die Einrichtung arbeitet eng mit dem anthroposophisch geführten Krankenhaus Herdecke zusammen und bildet zunächst nur Mediziner aus. Jeder Student muss ein »studium fundamentale« absolvieren; der Praxisbezug soll bei der Ausbildung im Vordergrund stehen.

In der Schulpolitik kommt es nach jahrelangem Gerangel um die Gesamtschule, die in Hessen durch eine Gesetzesänderung zur Regelschule wird, 1982 zu einer bundesweiten Einigung. Die Kultusminister der Länder verständigen sich über die gegenseitige Anerkennung von Abschlüssen an integrierten Gesamtschulen. Die Vereinbarung legt fest, in welchen Fächern der Unterricht auf verschiedenen Leistungsniveaus angeboten werden muss und welche Noten in welchen Leistungsstufen für bestimmte Abschlüsse erforderlich sind.

Ein weiterer bildungspolitischer Schwerpunkt liegt bei der Reform der reformierten Oberstufe, die sich seit ihrer Einführung 1974/75 in Teilen als problematisch erwiesen hat. So wird das Land Hessen durch ein Urteil des Staatsgerichtshofes zur Korrektur der Oberstufenreform gezwungen: Danach ist das Fach Deutsch nun wieder bis zum Abitur verbindlich; die zusammengefassten Fächer Geschichte und Gemeinschaftskunde werden künftig wieder getrennt angeboten. Auch Rheinland-Pfalz nimmt Korrekturen vor, um die Grundbildung der Abiturienten zu garantieren.

Sorgen bereitet 1982 vor allem die berufliche Bildung. Schon zu Beginn des Jahres deutet sich ein gravierender Mangel an Ausbildungsplätzen an; Ende 1982 sind bei den Arbeitsämtern noch 36 000 Bewerber, aber nur 20 000 freie Plätze gemeldet. Bundesregierung und Wirtschaftsverbände versuchen diesen Mangel durch Appelle an die Ausbildungsbetriebe zu beheben, jede freiwerdende Lehrstelle wieder zu besetzen bzw. über den eigenen Bedarf hinaus auszubilden. Rheinland-Pfalz bringt einen Gesetzentwurf zur Änderung des Jugendarbeitsschutzes in den Bundesrat ein, der längere Arbeitszeiten und einen früheren Arbeitsbeginn für Jugendliche ermöglichen soll.

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